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Die Vereinbarungen der UNO-Naturschutzkonferenz haben nur eine Chance, wenn auf lokaler und kommunaler Ebene daran gearbeitet wird Wir können den Schutz der Welt nicht einfach anderen übertragen

Von Undine Kurth 04.11.2010, 04:14

Bis zum letzten Moment war unklar, ob der Name der japanischen Stadt Nagoya mit Durchbrüchen für den internationalen Artenschutz in Verbindung gebracht wird oder ob sich Nagoya in eine Reihe mit Kopenhagen und dem gescheiterten Klimaabkommen stellen muss. Doch dank des Japanischen Engagements gab es mehr als nur warme Worte.

Nach zwei Wochen zäher zum Teil aussichtslos erscheinender Verhandlungen hat man sich verständigt auf ein Abkommen gegen Biopiraterie, auf konkrete Ziele zum weltweiten Naturschutz bis 2020 und auch auf Pläne zur Finanzierung dieser Aufgaben.

Und das war bitter nötig, um wenigstens zum Teil wieder wettzumachen, was die Weltgemeinschaft – allen voran die Industrienationen – bis dato versäumt hat. Denn obwohl wir wissen, dass die biologische Vielfalt unsere wichtigste, lebenssichernde Ressource ist und obwohl wir wissen, dass diese Ressource extrem bedroht ist, tun wir seit Jahren nicht das Notwendige – den Ankündigungen folgen eben keine Taten.

Schon einmal hatten sich die 193 Vertragsstaaten darauf verständigt, zu handeln. Im Jahr 2002 wurde das Ziel formuliert, bis 2010 den weltweiten Biodiversitätsverlust deutlich zu verlangsamen, Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben zu bewahren, Lebensräume zu sichern und den Raubbau an der Natur zu beenden. Nicht ein Land habe dieses Ziel erreicht, sagt der Chef der UN-Konvention über die biologische Vielfalt, Ahmed Djoghlaf. Er hat leider Recht.

Der ökologische Fußabdruck der Menschheit ist heute größer als zu dem Zeitpunkt, an dem das Ziel formuliert wurde. Wir verbrauchen zu viel Fläche, wir übernutzen die Natur und wir belasten sie mit Schadstoffen aller Art.

Es ist also nur konsequent, wenn nun festgeschrieben worden ist, dass bis 2020 alle Menschen über die Bedeutung der biologischen Vielfalt informiert sein sollen, dass umweltschädliche Subventionen abgebaut und der Verlust an Lebensräumen bis 2020 mindestens halbiert werden soll. Bis dahin soll die Fischerei keinen schädlichen Einfluss mehr auf gefährdete Arten haben. Festgehalten ist auch, dass alle Agrarflächen¸ Aquakulturen und Wälder nachhaltig bewirtschaftet und dass die Verschmutzung durch zu viele Nährstoffe auf ein unschädliches Maß gebracht werden soll. Verhindert werden soll das Aussterben bekannter bedrohter Arten. Und: In zehn Jahren soll das Nagoya-Protokoll über die faire und gerechte Aufteilung von Gewinnen aus genetischen Ressourcen wirklich überall in nationales Recht umgesetzt sein.

"Gut gebrüllt Löwe", werden Skeptiker angesichts schon einmal nicht erreichter Ziele sagen. Aber wir haben nicht viel Zeit für Skepsis und Sarkasmus. Wir müssen viel eher einfordern, dass diesmal den Ankündigungen auch Taten folgen. Nicht noch einmal dürfen der Egoismus der Industrieländer und die falsch verstandenen Interessen der Wirtschaft dazu führen, dass richtige Ziele nicht konsequent verfolgt werden.

Dass es dabei nicht um vermeintlich ferne Themen auf fernen Kontinenten geht, müssen wir vor allem der Bundesregierung ins Stammbuch schreiben. Sie hat in Nagoya keine besonders rühmliche Rolle gespielt. Auch gibt sie dem Naturschutz im eigenen Land nicht das notwendige Gewicht. Seit drei Jahren liegt eine Nationale Biodiversitätsstrategie auf dem Tisch und noch immer warten wir auf das Aktionsprogramm für die Umsetzung. Und was für die Bundesregierung zutrifft, stimmt für Länder und Kommunen ebenso.

Zwar haben die Bundesländer im Naturschutz die Hauptverantwortung, doch wie soll ein länderübergreifender Lebensraumverbund erreicht werden, wenn noch nicht einmal die Daten über den Zustand der Natur zwischen den Ländern vergleichbar sind und die Behörden vor Ort auch nur ansatzweise mit den notwendigen Mitteln ausgestattet sind?

Wollen wir die Landwirtschaft nachhaltig ausrichten und dem jetzt vereinbarten Ziel, die Böden nicht weiter zu belasten, gerecht werden, dann heißt das z.B. auch, auf industrielle Tiermastanlagen in Sachsen-Anhalt zu verzichten.

Wollen wir den Flächenverbrauch stoppen, heißt das wiederum, die kostbaren Böden der Börde zu schützen, jedes neue Vorhaben genau zu prüfen und nicht parallel zu vorhandenen Straßen neue zu bauen.

Auch der Abbau umweltschädlicher Subventionen verlangt ein von allen Naturschützern unterstütztes Vorgehen, denn überall wo lieb gewonnene Vergünstigungen eingestellt werden, gibt es erfahrungsgemäß heftigen Widerstand.

Der weltweite Naturschutz hat in Japan eine neue Perspektive bekommen. Nun ist es an den Industrieländern, zu beweisen, dass sie es ernst meinen.

Keines der in Nagoya formulierten Ziele hat eine Chance auf Realisierung, wenn nicht auf der lokalen und kommunalen Ebene daran gearbeitet wird. Ein reiches Land wie Deutschland kann es sich nicht erlauben, hier zu bremsen. Wir können den Schutz der Welt nicht anderen übertragen – wir müssen schon selber handeln.

Undine Kurth ist Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion.