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Ein Jahr Schwarz-Grün Von Gerald Semkat Klientel gut bedient

28.10.2010, 04:14

Das war nichts und das wird nichts. Dieses Zeugnis stellt Frank-Walter Steinmeier der schwarz-gelben Bundesregierung aus, die heute ein Jahr im Amt ist. Zweifellos gehört es zum Job des Chefs der oppositionellen SPD-Fraktion, die Regierung nicht gut zu finden. Aber selten lag Steinmeier so richtig. Man muss nicht zur Opposition gehören, um seine Kritik zu teilen.

Wer mit Angela Merkels Kabinett nachsichtig sein will, kann ja die dilettantischen Anfangsmonate dieser Regierung unter Startschwierigkeiten abbuchen. Also Schwamm drüber. Doch niemand wird den Mantel des Schweigens über jene Regierungsentscheidungen decken können, die der Merkel-Truppe zu Recht den Vorwurf einbringen, Klientelpolitik zu betreiben.

Ein häufig strapaziertes Beispiel dafür ist die Subventionierung von Hotels mittels Mehrwertsteuerermäßigung für Übernachtungen von 19 auf 7 Prozent. Ein weiteres ist der Ausstieg aus dem einst von Rot-Grün verhandelten und beschlossenen Atom-Ausstieg. Man muss nicht die ganze Energiepolitik durchdeklinieren, um festzustellen: Von Schwarz-Gelb haben wir noch etwas, wenn diese Regierung längst nicht mehr ist. Und zwar mehr Atommüll, von dem keiner weiß, wohin damit. Zugegeben: Das ist sarkastisch. Aber wie anders soll man sich vor lähmender Verzweiflung schützen angesichts des Handelns dieser Regierung?

Union und FDP bieten sich stets als jene an, die Subventionen kürzen und Steuern senken wollen. In dieser Woche haben sie ein Beispiel dafür geliefert, dass man solche Verheißungen nicht allzu ernst nehmen sollte. Sie vereinbarten, sich von dem Beschluss zu verabschieden, energieintensive Unternehmen nicht länger steuerlich vorzüglich zu begünstigen. Dafür sollen die Raucher mehr Steuern zahlen. Quasi als Krönung legte die FDP mit dem Vorstoß nach, auch die Alkoholsteuer zu erhöhen. Man höre und staune: Die Steuersenkungspartei plädiert für Steuererhöhungen!

Noch im Juni hatte die Regierung ein Paket geschnürt, das Streichungen bei Sozialleistungen, Einsparungen im öffentlichen Dienst und Subventionskürzungen beziehungsweise Steuererhöhungen in Wirtschaftsbereichen enthielt. Mittlerweile ist nur noch gewiss: Pünktlich zum Jahresbeginn 2011 wird es Sozialkürzungen geben. Gewonnen haben die stärksten Lobbyisten.

So ist denn Schwarz-Gelb alles andere als ein Segen. Und nach einem Jahr ist kaum zu glauben, dass diese Koalition je eine Erfolgsgeschichte schreiben wird. (Politik)