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In der Europäischen Union werden schon jetzt die Weichen für Strukturhilfen ab 2014 gestellt Sachsen-Anhalt kämpft für Ostdeutschland ums BrüsselerGeld

14.04.2010, 05:19

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 13.04.2010 22:00:00


Von Steffen Honig

Ziel-1-Gebiet, Phasing out, statistischer Effekt – an diesen Begriffen aus dem EU-Jargon hängt vor allem eines: Geld. Genauer Fördergeld in Milliardenhöhe, das aus dem Haushalt der Europäischen Union nach dem aufgeschlüsselten Bedarf als Strukturhilfe in die 27 Mitgliedsstaaten fließt.

Aber nicht im Selbstlauf. Für jede siebenjährige EU-Haushaltsperiode wird die regionale Bedürftigkeit neu definiert. Für Deutschland, größter Nettozahler in die EU-Kasse, geht es darum, einen adäquaten Rückfluss an Strukturhilfen für die Regionen in der Bundesrepublik zu sichern, die wirtschaftlichen Nachholbedarf haben.

Das waren und sind vor allem die ostdeutschen Bundesländer. Zwischen 2007 und 2013 gehen rund 2,6 Milliarden Euro an Strukturfondsmitteln allein nach Sachsen-Anhalt. Im Auftrag der Ostländer führt Sachsen-Anhalt seit dem Vorjahr die Verhandlungen mit Brüssel. Eine wichtige Aufgabe, denn über Ostdeutschland schwebt ein Damoklesschwert in Form einer Statistik-Grenze: Alle Regionen zwischen Ahlbeck und Zwickau werden 2014 bei über 75 Prozent des EU-Durchschnitts beim Bruttoinlandsprodukt liegen.

Diese an sich erfreuliche Entwicklung hat einen gewaltigen Pferdefuß: Nach bisheriger EU–Lesart würde der deutsche Osten gnadenlos aus den Ziel-1-Hauptfördergebieten heraus- fliegen. Zusammengenommen mit dem unwiderruflichen Schlussakkord für den Solidarpakt II im Jahr 2019 wäre das ein kaum zu verkraftender Aderlass.

Gerechte Regeln für Übergang gefordert

Die Kernforderung, für die die Ostländer bereits grundsätzliche Zustimmung der westdeutschen Länder und der Bundesregierung eingeholt haben, sind "angemessene und gerechte Übergangsregelungen", wie ein Zwischenbericht der sachsen-anhaltischen Staatskanzlei festhält. Aus der 75-Prozent-Grenze "Sprungstellenproblematik" solle eine "Gleitzone" werden, heißt es bezugnehmend auf eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Das "Phasing out", also das Auslaufen der Förderung, soll gestreckt und finanziell kräftiger als bisher üblich unterfüttert werden.

Auf erforderliche Neuregelungen schielen auch die westdeutschen Bundesländer. Bei der Förderung aus den europäischen Töpfen sitzen alle Deutschen zunehmend in einem Boot. Es gilt oberhalb der schwachbrüstigen Regionen, deren Unterstützung außer Frage steht, eine Ebene einzuziehen, die einen Anspruch auf gezielte Hilfen festschreibt. Ähnlich wie es bei den bisherigen Ziel-2-Projekten der Fall ist.

Am künftigen Förder-Korsett knüpft in Brüssel die Generaldirektion Regionalpolitik der EU-Kommission. Der Deutsche Ulrich Krause-Heiber ist hier Referent und betreut als solcher auch Sachsen-Anhalt. In der Kommission gebe es bisher "keine einheitliche Meinung" zur Strukturförderung nach 2013, sagt Krause-Heiber. Insbesondere müsse ausdiskutiert werden, was künftig Förderung verdiene: Beispielsweise Umweltprojekte, die der EU-Strategie entsprechen, aber möglicherweise kein Tourismus-Vorhaben mehr.

Letzte Entscheidung bei Regierungschefs

"Letzlich wird das Geld aber nicht durch die Kommission, sondern die Regierungschefs verteilt", erläutert der EU-Beamte. Diese müssten den Finanzrahmen beschließen. Basis für die Festlegung der dafür entscheidenden 75-Prozent-Grenze werde voraussichtlich das Bruttoinlandsprodukt der Jahre 2007-2009 sein, aus dem der Durchschnittswert errechnet werde.

Vor Frühjahr 2011, so EU-Referent Krause-Heiber, ist nicht mit einem Kommissionsvorschlag für eine neue Förderpolitik zu rechnen. Es bleiben also einige Monate Zeit, die Kommissare vom Sinn weiterer Regionalförderung zum Beispiel in Ostdeutschland zu überzeugen. Ab morgen ist dazu wieder einmal Gelegenheit – in Brüssel tagt der Ausschuss der Regionen.