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Die TV-Journalistin Karin Storch über ihre Zeit als Nahost-Korrespondentin Vom Elend der Palästinenser und der Angst der Israelis

16.04.2010, 05:19

Z: Wernigerode ZS: WR PZ: Wernigerode PZS: WR Prio: höchste Priorität IssueDate: 15.04.2010 22:00:00


Von Georg Kern

Karin Storch ist die grauhaarige Frau aus dem Fernsehen. Am Mittwochabend sitzt sie in einem Veranstaltungssaal im Georg-Friedrich-Händel-Konzertgebäude in Halle. Sie trägt eine einfache schwarze Jacke und eine schwarze Hose. Sie spricht nüchtern und unaufgeregt. Karin Storch wirkt im echten Leben wie bei ihren Fernsehauftritten.

Podiumsdiskussion mit der Journalistin, die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und die Deutsche Atlantische Gesellschaft (DAG) haben eingeladen. Mit rund 300 Besuchern ist der Saal proppevoll, die Veranstalter lassen zusätzliche Stühle aufstellen. Karin Storch spricht über ihre Zeit als ZDF-Fernsehkorrespondentin in Nahost. Es wird eine Veranstaltung werden, die kaum Hoffnung macht im Dauerkonflikt in der Region.

Entvölkerter Norden

Von 2005 bis 2009 leitete die Journalistin, die jetzt im Ruhestand ist, das ZDF-Studio in Tel Aviv – zuvor war sie unter anderem Korrespondentin des Senders in Washington und Rom. Karin Storch hat gelernt, ihre Gefühle vor der Kamera zu kontrollieren. Auch am Mittwochabend analysiert sie den Nahostkonflikt im sachlichen Ton, nur manchmal, in Sekundenbruchteilen, scheint sie ihre Gefühle nicht beherrschen zu können. Das passiert zwischen den Zeilen, in Halbsätzen wie dem, dass sie "bestimmte Bilder" von Krieg und Elend "sicher nie vergessen" werde.

Die Libanon-Offensive Israels 2006, der Gazakrieg zur Jahreswende 2008/09: Gewalt und Elend hat Karin Storch genügend gesehen, während ihrer Zeit als Nahost-Korrespondentin. Im Vergleich zu ihren anderen Posten im Ausland, in Rom etwa, habe sie rasch umdenken müssen, weil es besonders schwierig sei, neutral über den Nahostkonflikt zu berichten, sagt sie. Das beginne schon bei der Sprache: Das "Westjordanland" etwa sei für Israelis "Judäa und Samaria", der Unabhängigkeitstag des Landes sei für die Palästinenser "Nakba", im arabischen Sprachgebrauch das Wort für "Katastrophe".

Als Journalistin sei sie stets bemüht gewesen, über beide Seiten des Konflikts zu berichten. "Es hat alles zwei Seiten in dieser Region." Am Mittwochabend spricht Karin Storch vom Elend der Palästinenser im Gazastreifen. Sie berichtet von den Folgen der Blockaden des Landstrichs durch die Israelis – es fehlt an Kleidung, Schuhen oder Benzin. Sie berichtet von den Tunneln zwischen Gaza und Ägypten, durch die Palästinenser das Notwendigste schmuggeln – Waffen allerdings ebenfalls. Karin Storch berichtet aber auch von ihrer Reise 2007 durch ein entvölkertes Nordisrael – die Bewohner waren vor dem andauernden Beschuss durch Kassam-Raketen geflohen.

In den Momenten größter Krise rücken die Journalisten zusammen. Karin Storch erzählt vom Gazakrieg 2008/09. Erst habe Israel lange keine Journalisten in den Landstrich einreisen lassen, dann eine begrenzte Zahl. Wer einreisen darf, darüber entschied das Los. Karin Storch hatte Glück und konnte aus dem Gazastreifen berichten. "Mir schien die Zerstörung längst nicht so schlimm, wie in vielen westlichen Medien bis dahin dargestellt." Allerdings seien ihr die vielen zerstörten Moscheen aufgefallen, was bei ihr Unverständnis ausgelöst habe, "wenn man bedenkt, welche Reaktionen schon die Mohammed-Karikaturen in der muslimischen Welt ausgelöst haben".

Dass sie Deutsche sei, habe bei ihrer Arbeit zudem immer eine Rolle gespielt. "Das ist nun mal so: Wir Deutschen haben auf Grund unserer Geschichte eine besondere Verantwortung." Später wird sie die Frage eines Zuhörers, ob die Bundesregierung die israelische Politik stärker kritisieren sollte, klar verneinen. Deutschland sei dafür nicht in der Position. Dafür gebe es andere Gremien. "Für besonders geeignet halte ich das sogenannte Nahostquartett, dem auch die EU angehört."

Dem Friedensprozess räumt Karin Storch derzeit allerdings keine Chance ein. Der US-Kommentator Thomas Friedman habe das Problem so ausgedrückt: Die Palästinenser wollten eine Lösung, ohne zu verhandeln, die Israelis wollten verhandeln, ohne eine Lösung zu finden. Wieder scheint Karin Storch mit ihren Gefühlen zu ringen. Dann sagt sie, dass die rechtskonservative Netanjahu-Regierung "eine Katastrophe für Israel" sei.

Grunderfahrungen

An einer Lösung des Konflikts sei sie nicht ernsthaft interessiert, wie auch die Siedlungspolitik zeige. Doch die Journalistin schränkt ihre Kritik ein: Zu den Grunderfahrungen in der jüdischen Geschichte zähle, dass man mehrfach im Stich gelassen worden sei – auch deshalb perle die geballte internationale Kritik an Israel auf Grund des Siedlungsbaus ab. In der Politik Jerusalems spielten zudem demografische Ängste eine Rolle: Die Zahl der arabischen Israelis wächst schnell.

Ob sie ein Buch über ihre Zeit in Nahost plane, fragen die Moderatoren Ringo Wagner (FES) und Thomas Reitmann (DAG)? Karin Storch schüttelt den Kopf. Das "Hamburger Abendblatt" zitierte sie einmal mit dem Satz: "Ein weiser Mann soll mal gesagt haben: Nach einer Woche Nahost möchte man ein Buch schreiben, nach einem Monat einen Artikel, nach einem Jahr gar nichts mehr."