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Meinung und Debatte

17.02.2010, 08:52

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 16.02.2010 23:00:00


Von Steffen Honig

Wird der Euro am krisengeschüttelten Griechenland zerbrechen? Wohl kaum. Ein Indiz: Das von der Gruppe der Euro-Länder abgesegnete griechische Schock-Sparpaket hat bereits zu einem leichten Kurs- plus geführt. Noch wichtiger: Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen würden die Euro-Länder notfalls stützend eingreifen müssen, um den Absturz der Wirtschaft durch eine Währungsschwäche zu verhindern.

Es heißt zwar etwa aus Richtung Bundesregierung, dass Finanzspritzen für Griechenland dem deutschen Steuerzahler nicht zuzumuten wären. Das entspricht der breiten Bevölkerungsmeinung – eine Emnid-Umfrage aus der Vorwoche erbrachte eine Mehrheit von 71 Prozent gegen Unterstützungszahlungen der Europäischen Union für die Hellenen.

Doch was dem Steuerzahler zuzumuten ist, entscheidet sich erfahrungsgemäß nach politischer Tageslage. Das jüngste deutsche Beispiel der einseitigen Steuervergünstigung für Hotels ist noch in bester Erinnerung.

Zunächst bleibt aber die Hoffnung, dass es Griechenland – wie von Ministerpräsident Giorgos Papandreou immer wieder versichert – schafft, die als "Blut- und Tränen-Programm" apostrophierten Einschnitte tatsächlich durchzuziehen. Die Frist bis zur nächsten Kontrolle, die die EU-Finanzminister Athen gestern gesetzt haben, ist Mitte März. Den Haushalt will die EU direkt beaufsich- tigen. Sollte Griechenland die Sanierung nicht in den Griff bekommen, wird die Euro-Zange weiter zugedrückt, müssen neue Sparmaßnahmen her.

Insgesamt, so die Vorgabe, soll das griechische Haushaltsdefizit innerhalb dieses Jahres von fast 13 Prozent um vier Prozent gesenkt werden. Bis 2012 soll die vorgeschriebene Defizitgrenze von 3 Prozent erreicht sein. Neuerdings darf sich daher in Griechenland fast niemand mehr sicher sein, nicht auch finanzielle Abstriche hinnehmen zu müssen.

Im Parlament von Athen beispielsweise, bisher ein typischer Ort staatlicher Fürsorge per Beschäftigung im öffentlichen Sektor. Nun will der Parlamentsvorsitzende Filippos Petsalnikos darangehen, die Gehälter von Abgeordneten und Mitarbeitern zu kürzen und andere Ausgabenkürzungen durchzusetzen. Erhoffter Spareffekt allein in diesem Bereich: 20 Millionen Euro.

Die Griechen kannten bisher eine Europäische Union, die seit der Aufnahme ihres Landes in die Gemeinschaft 1981 die Infrastruktur des Landes auf Vordermann brachte und Jahr für Jahr Förder-Millionen in die südöstliche Ecke des gemeinsamen Europas pumpt. Nun lernen die Hellenen die Kehrseite kennen: Dieselbe Gemeinschaft zwingt sie zu Einschränkungen beim Lebensstandard.

Entsprechend groß ist die Wut der Betroffenen. Sie richtet sich gegen die Athener Regierung und entlädt sich in scharfem Protest: Gerade streiken die Zollbeamten, Taxi-, Tank- und Lastwagenfahrer werden am Freitag in einen 24-stündigen Ausstand treten. Auch auf der Straße entscheidet sich, was aus dem griechischen Sparprogramm wird.

Zur hausgemachten Misere kommt allerdings, dass Griechenland in den EU-Jahren als Produktionsstandort immer mehr an Bedeutung verloren hat, weil Investitionen ausge- blieben sind. Klein- und Mittelbetriebe dominieren, es gibt kaum Großunternehmen. Der Fortschritt war zu sehr an den Konsum gekoppelt. Das musste früher oder später in der finanziellen Sackgasse enden.

Aus der Schieflage versuchten diverse Regierungen, mit Mauscheleien und Finanz-Tricksereien herauszukommen. Beim Verschleiern der Schulden halfen laut "New York Times" jahrelang US-Großbanken. Sie liehen Griechenland mehrere Milliarden Dollar und verbuchten sie als Währungsgeschäft statt als Kredit. Durch solche Mittel und den spitzen Bleistift bei der Defizit-Statistik gelang es Athen, in den Kreis der Euro-Länder aufzusteigen.

Die Eurogruppe hat es mit einem Präzedenzfall zu tun: Erstmals droht ein Mitglied aus dem exklusiven Kreis herauszufallen. Wie sie dieses Dilemma löst, ist für die Zukunft der Gemeinschaftswährung für mittlerweile 16 Staaten mitentscheidend.

Auch für die Europäische Union ingesamt ist dieser Fall von neogriechischer Dekadenz beispielhaft: Hier wurden die Partnerländer bewusst hinters Licht geführt, um sich danach womöglich von diesen aus dem Dreck ziehen zu lassen. Damit hat Griechenland ein europäisches Grundprinzip verletzt – das gegenseitige Füreinandereinstehen, ein Grundmaß an Solidarität. Dafür muss ein ganzes Land nun büßen.

Ohne einen Ausgleich von Geben und Nehmen kann die Europäische Union nicht funktionieren. Weil sich die anderen daran halten, wird Griechenland aber auch nicht fallengelassen.