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Zerstrittene Regierungspartner ringen um neue Einigkeit Schwarz-gelbe Koalition zwischen Frühlingserwachen und Schneechaos

24.02.2010, 05:19

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 23.02.2010 23:00:00
Von Kristina Dunz und Oliver von Riegen

Zuerst die offizielle Bewertung: "Frühlingserwachen bei der Koalition" verkündete der Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), gestern nach dem Treffen der schwarz-gelben Koalitionsspitzen. Nach langem Streit um viele Themen konnte er mit Vereinbarungen zur Arbeitsmarktreform Hartz IV und zur Kürzung der Solarenergie aufwarten. Nun aber einige inoffizielle Kommentare von Koalitionären: Das Bündnis habe Vertrauensvorschuss verspielt, die Stimmung sei weiter angespannt – um beim Wetter zu bleiben: Die Koalition ist noch mitten im Schneechaos.

Wer belastet wen mehr?

Es läuft einfach nicht rund für Union und FDP im Bund. Da hat die schwarz-gelbe Koalition gerade erst mühsam wieder Ruhe in die aufgeregte Debatte um Steuersenkungen und Boni für Hoteliers gebracht, bricht sie den nächsten Streit um Sozialstaat und Atompolitik vom Zaun. Bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai dürfte sich das kaum ändern. Denn dort steht die schwarz-gelbe Landesregierung auf dem Spiel - die Wahl ist der erste Test für den Rückhalt der gleichfarbigen Bundesregierung bei den Wählern.

Inzwischen stellt sich die Frage, wer wen mehr belastet: das christlich-liberale Bündnis in NRW die Koalition im Bund oder umgekehrt. Einerseits sind die vielen Auseinandersetzungen zwischen FDP und Union auf Bundesebene sicher keine Hilfe für ihre Landesverbände im Wahlkampf an Rhein und Ruhr. Andererseits konnten Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle die Kritik aus NRW an den geplanten Steuervorteilen für Hotelbesitzer nicht gebrauchen.

Für die CDU kommt nun auch noch die Affäre um Gesprächsangebote gegen Bezahlung mit NRW-Ministerpräsident und Merkels Partei-Vize Jürgen Rüttgers dazu. Auf Bundesebene muss Merkel außerdem den Streit mit Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) schlichten, der für eine maßvolle Verlängerung der Laufzeiten für Atommeiler eintritt und damit Parteikollegen bis hin zu Unionsfraktionschef Volker Kauder in Rage bringt. Beide Seiten berufen sich auf den Koalitionsvertrag. Altmaier hält das aus einem einfachen Grund auch für akzeptabel: "Mit dem Koalitionsvertrag ist es so wie mit einem guten Verfassungstext: Kurz, pragmatisch, flexibel und der Interpretierung zugänglich."

Aus Union und FDP ist inzwischen immer häufiger zu hören, dass das eigentliche Grundübel die Ungenauigkeit der Koalitionsvereinbarung sei. So koche jeder sein Süppchen – ein Menü werde so aber nicht daraus. Unionspolitiker halten der FDP vor, Klientelpolitik und nicht die Sache der gesamten Regierung und damit das Interesse des Landes zu verfolgen.

Die FDP wiederum sieht sich als Motor der Koalition. Die gestern im Koalitionsausschuss getroffene Vereinbarung, die Zuverdienstmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose schnell zu verbessern und dafür schon im März eine Kommission zu bilden, schreibt sie sich auf die Fahne. Die Polarisierung von Westerwelle mit markigen Sprüchen, dass sich Leistung wieder lohnen müsse, habe sich ausgezahlt, heißt es bei den Liberalen. "Blödsinn", heißt es in der Union. Schließlich habe Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) dieses Thema schon vor Westerwelle aufgebraucht. Und außerdem sei auch Hartz IV im Koalitionsvertrag verankert.

Treffen für die Chemie

Heute Abend kommen Merkel, Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer wie schon im Januar zu einem "Dreier-Gipfel" zusammen. Kein Krisengespräch, heißt es allenthalben. Eher ein Treffen für die "Chemie", wie CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagt.

Ihr Talent, gegensätzliche Pole zu verbinden, hat die Naturwissenschaftlerin Merkel nach Angaben von Teilnehmern gestern erneut im Koalitionsausschuss bewiesen. Sie habe gehört, die FDP wolle ein eigenes Hartz-IV-Konzept vorlegen, soll sie etwas spitz, aber mit einem Lächeln zu Westerwelle gesagt haben. Das könne die FDP machen, habe die Kanzlerin nüchtern festgestellt. Und dann soll sie die Freien Demokraten darauf hingewiesen haben, dass man in einer Koalition eigentlich darüber vorher spricht, was der Partner plant. (dpa)