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Ein Vortrag des Staatsrechtlers Hans Herbert von Arnim in Magdeburg "Die Finanzkrise ist auch die Folge eines Politikversagens"

02.02.2010, 09:55

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 01.02.2010 23:00:00


Von Georg Kern

Hans Herbert von Arnim ist einer, der um starke Thesen nicht verlegen ist. Am Sonnabend steht er im Magdeburger Herrenkrughotel und sagt, dass im Grundgesetz zwar stehe, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. "Doch bei uns wurde das Volk entmachtet."

Arnim spricht beim 18. Zahnärztetag Sachsen-Anhalt. Die Zahnärztekammer des Landes hat die Konferenz gemeinsam mit der Martin-Luther-Universität Halle organisiert. Dabei spricht jedes Jahr auch ein Referent zu gesellschaftlichen Themen. Diesmal ist es Arnim, Professor für Staatsrecht in Speyer.

"Fetter Bauch"

Mit provokanten Thesen wurde er bundesweit bekannt. Seine Bücher tragen Titel wie "Fetter Bauch regiert nicht gern" oder "Die Deutschlandakte" - und verkaufen sich gut. Am Sonntag nach der Konferenz in Magdeburg wird Arnim in Berlin bei "Anne Will" auftreten. Über mangelndes Interesse an seinen Thesen kann er sich nicht beklagen.

Auch in Magdeburg präsentiert er sie, es geht um das "Gemeinwohl und seine Gefährdungen". In Deutschland dominierten Medien und Wirtschaftsverbände die Politik, sagt Arnim. "Der eigentliche Staat ist zu schwach." Hinter dem "offiziellen System" habe sich "ein informelles Schattensystem entwickelt", das den Politikern Entscheidungen vorschreibe.

Im Publikum sitzt auch Sachsen-Anhalts Gesundheitsminister Norbert Bischoff (SPD). Er folgt den Ausführungen mit weitgehend unbewegter Miene.

Es ist nicht so, als schweife Arnim weit in die Vergangenheit, um seine Thesen zu untermauern. Die Finanzkrise sei nicht nur ein Wirtschaftsversagen, "sondern auch ein Politikversagen". Die daraus resultierende Staatsverschuldung sei eine Katastrophe und werde noch viele Generationen belasten.

Die rund 150 Zuhörer im Saal sind ziemlich still. Einmal, als Arnim auf die Lehrer zu sprechen kommt, zischt einer: "Der spinnt wohl."

Es geht um die Reformpolitik in Deutschland. Wenn die notwendigen Veränderungen ausblieben, beim Bürokratieabbau etwa, dann liege das auch an der "Verbeamtung der Parlamente". Rund 2800 Parlamentarier gebe es in Deutschland, rechnet Arnim vor. Davon komme "fast die Hälfte aus dem öffentlichen Dienst". Bekannt sei etwa das Problem, dass die Berufsgruppe der Lehrer überrepräsentiert sei, auch weil sie die Gewissheit hätten, in ihren Beruf zurückkehren zu können. Einen herzhaften Lacher erntet Arnim, als er das Bonmot bemüht: "Die Parlamente sind mal voller und mal leerer, aber immer voller Lehrer."

Was ist es, das Arnims Thesen in der Öffentlichkeit solchen Erfolg beschert? Vielleicht sind es oftmals nicht seine Argumente. Besonders überzeugend wirkt Arnim häufig dann, wenn er die sachliche Analyse des Staatsrechtlers gegenüber seiner persönlichen Meinung betont. Dann erklärt Arnim mit keinem Wort zuviel das politische System.

Die Feinheiten des deutschen Wahlrechts oder die Mechanismen des Lobbyismus: Was selbst politisch Interessierte oft genug ins Schwitzen bringt, klingt dann besonders verständlich. Arnim liefert in vielen seiner Bücher nicht nur Thesen, sondern einen Grundkurs in Staatsrecht gleich mit.

Besonders überzeugend am Sonnabend etwa seine Ausführungen zur staatlichen Parteienfinanzierung in Deutschland. 1959 habe sie die Bundesrepublik als eine der ersten Staaten überhaupt gesetzlich geregelt, um die Einflussnahme von Lobbygruppen einzudämmen. Doch das Gesetz werde vor allem durch die Parteistiftungen umgangen, "die mit Staatsgeld eingedeckt werden". Die Subventionen hätten sich in den vergangenen Jahren vervierzigfacht. Schon der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker habe festgestellt: "Bei uns leben die Parteien wie im Schlaraffenland."

Immer nur kritisieren – den Vorwurf muss sich Arnim in Diskussionen regelmäßig anhören. Am Sonnabend streift er mögliche Verbesserungen des politischen Systems nur kurz. Er fordert mehr plebiszitäre Elemente, die Direktwahl von Bürgermeistern und des Bundespräsidenten etwa. Gerne hätte man dazu mehr gehört, schließlich hatte Arnim zuvor auch einen gesellschaftlichen Werteverfall für Probleme in der Politik verantwortlich gemacht.

Kein leichter Stoff

Doch eine Diskussion nach seiner Rede fällt leider aus. Der Stoff war vielfältig und nicht leicht, erst mal atmet der Saal hörbar durch. Norbert Bischoff springt auf, der Minister muss weiter. Diskussionsleiter Frank Dreihaupt, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, geleitet ihn nach draußen.

Arnim sortiert seine Papiere. Auch er muss später weiter, nach Berlin, zu "Anne Will". Thema der Sendung: "Beamten-Paradies Deutschland – wollen wir uns das noch leisten?"