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Heute beginnt die 46. Münchner Sicherheitskonferenz Worten müssen Taten folgen: Von Afghanistan bis Abrüstung

05.02.2010, 05:03

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Wernigerode PZS: WR Prio: höchste Priorität IssueDate: 04.02.2010 23:00:00


Von Gerald Semkat

Wie die Finanzkrise haben auch Debatten über Energieversorgung und Klimawandel verdeutlicht, dass Sicherheitspolitik breit gefächert ist. Dem will die heute in München beginnende 46. Sicherheitskonferenz gerecht werden, indem zu diesen Themen bis zum Sonntag Vorständler aus Wissenschaft und Wirtschaft mitreden werden.

Grundanliegen ist die europäische und transatlantische Sicherheit. Diese erschöpft sich nicht in europäischen und transatlantischen Sicherheitsstrukturen, sondern schließt Sicherheit und Stabilität im Nahen und Mittleren Osten ein. Dazu gehören auch die Beziehungen zum Iran. Gerade ist möglicherweise etwas Bewegung in den festgefahrenen Atomstreit gekommen.

Auch die Beziehungen zu China werden ein Thema in München sein. Yang Jiechi wird als erster chinesischer Außenminister überhaupt zur Konferenz kommen.

Mit dem Auftritt von Präsident Hamid Karsai wird Afghanistan nach der Londoner Konferenz Ende Januar erneut ein Forum geboten. Hier stehen vor allem drei Schwerpunkte klassischer Sicherheitspolitik im Blickpunkt: Bündnisse, Terrorbekämpfung und Aufbau bzw. Stützung von Staaten.

Dabei dürfte an die Londoner Afghanistan-Konferenz Ende Januar angeknüpft werden. Nach dieser Tagung steht fest: Das Gesamtkonzept für Afghanistan führt militärische, politische, entwicklungspolitische und finanziell-wirtschaftspolitische Elemente zusammen. Das ist der deutsche Ansatz gewesen, den sich die Amerikaner im Laufe des vergangenen Jahres zueigen gemacht haben.

Zudem besteht Einigkeit darüber, dass im Rahmen einer sogenannten Ausstiegsstrategie die teilweise oder völlige Übergabe von Verantwortung an die Afghanen erfolgen soll. "Das ist natürlich mit sehr viel Unwägbarkeiten verbunden", sagte Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, dem Deutschland-Radio. "Diese sogenannten Exit-Strategien haben in den Krisenverhandlungen, an denen ich zum Teil in den letzten zehn, 15 Jahren beteiligt gewesen bin, in aller Regel eben nicht so wie ursprünglich geplant, funktioniert. Meistens dauert es eben doch noch erheblich länger", so Ischinger.

Wenn jetzt in München u.a. über einen politischen Verhandlungsansatz gesprochen wird, steht in Rechnung, dass Afghanistan ein ethnischer und machtpolitischer Flickenteppich ist. Wer sich in dieser Lage allein auf Kabul konzentriert, hat schon verloren. Man wird also verstärkt nach lokalen Verhandlungspartnern – Dorfvorstehern oder Stammesältesten – suchen. Auch nach Verhandlungspartnern unter den Taliban.

Aller Erfahrung nach sind Aufständische nur an den Verhandlungstisch zu bekommen, "wenn wir die Bevölkerung auf unsere Seite ziehen", sagt Ischinger. Das geschehe nicht mit Luftschlägen, sondern mit Präsenz an Ort und Stelle. Allerdings sei neben Aussteigerprogrammen auch militärisches Drohpotenzial notwendig.

Die Konferenz in München bietet zudem die Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie die regionalen Mächte bei der Lösung des Afghanistan-Problems einzubeziehen sind. Dazu zählen Pakistan, Russland, Indien, China – und Iran. Teheran hatte bei den Petersberg-Konferenzen vor Jahren seine Bereitschaft zu konstruktiver Mitarbeit gezeigt. Iran hat großes Interesse daran, die Flüchtlings- und Drogenströme aus Afghanistan einzudämmen.

Wer über Afghanistan spricht, darf die Lage in Pakistan nicht ausblenden. Die Militanten auf beiden Seiten der afghanisch-pakistanischen Grenze arbeiten zusammen und weichen bei Bedarf ins jeweilige Nachbarland aus.

Im Falle eines Zusammenbruchs der Nuklearmacht Pakistan oder einer Machtübernahme durch radikale Islamisten wären die Folgen für die internationale Sicherheit und Ordnung unabsehbar. Um das zu verhindern, hatte der britische Außenminister vorgeschlagen, über eine Art Marshall-Plan für Pakistan nachzudenken. Warum hat bisher niemand diesen Vorschlag aufgegriffen?

Für Diskussionsstoff in München könnten auch Überlegungen über eine stärkere Beteiligung muslimischer Partner an der internationalen Präsenz in Afghanistan sorgen. Tatsächlich kritisieren muslimische Regierungen die westliche Militärpräsenz in Afghanistan und fordern Mitsprache. Warum soll man dem nicht zustimmen? Das könnte den Vorwurf entkräften, schon wieder besetze der Westen ein islamisches Land. So könnte man argumentieren.

Aus speziell deutscher Sicht ist hervorzuheben, dass die Politik nach jahrelangem Herumdrucksen nun von " kriegsähnlichen Zuständen" spricht, bei denen eben auch geschossen werden muss. "Die Bürger schätzen klare Fakten und Daten, reinen Wein sozusagen", sagte Ischinger dem "Focus". Ihm fehlt in der deutschen öffentlichen Debatte "manchmal der militärische Sachverstand. Die Generalität könnte sich in der Tat häufiger zu Wort melden", meint er, weil das Akzeptanz fördern könne.

Als Motto der diesjährigen Zusammenkunft in München hat Ischinger, der von 2001 bis 2006 Botschafter in London und Washington war, gewählt: "No more excuses – Keine Ausreden mehr!" Der Erwartungsdruck auf die Politik sei in den vergangenen Monaten weiter gestiegen. Den Ankündigungen müssten jetzt Taten folgen – von Afghanistan bis zur Abrüstung.