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Dresdner Menschenkette gegen Rechtsextremismus, den Neonazi-Aufmarsch verhindern andere Die gespaltene Stadt

15.02.2010, 11:50

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 14.02.2010 23:00:00


Von Corinna Buschow und Katharina Rögner

An der Fassade der wiederaufgebauten Dresdner Frauenkirche lodert per Beamer eine überdimensionale Kerze. Sie erinnert an die Opfer der Bombardierung der Stadt am 13. Februar 1945 an dem Gebäude, das durch seine Zerstörung bekanntestes Symbol für diese Nacht wurde. Der ehemalige Innenminister Gerhart Baum (FDP) erzählt in seiner Gedenkrede am Samstagabend, wie sich Tage danach die Leichenberge türmten. Er erlebte als Zwölfjähriger die Bombardierung seiner Heimatstadt. Dann werden seine Schilderungen harsch unterbrochen. "Deutsche Täter sind keine Opfer" brüllen Linksextreme minutenlang. Baum ist kaum noch zu verstehen.

Das Erinnern in Dresden ist schwierig. Die Zerstörung der Stadt, die der von Coventry und dem Völkermord der Nazis an den Juden folgte, lässt sich von verschiedensten Gruppen instrumentalisieren. "Kein Wunder", sagt Landesbischof Jochen Bohl. Der Krieg, die Zerstörung, aber auch der "Ruf aus Dresden", der Appell zum Wiederaufbau der Frauenkirche: "Da kommt einiges zusammen", so der Bischof.

"Wir stehen für Frieden und Versöhnung", betont er. Symbol dafür sollte am Sonnabend eine Menschenkette in der Altstadt sein, in der nach Angaben der Stadt etwa 15000 Menschen vereint einen Schutzring um das Rathaus der Stadt bildeten und es damit gegen die im Stadtteil Neustadt versammelten Neonazis schützen wollten. Eine "eindrückliche Antwort" habe man den neuen Nazis damit gegeben, bilanziert der Bischof.

Am anderen Elbufer – in Neustadt – sind es dagegen vor allem linke Bündnisse, Antifaschisten, alte wie junge Menschen, aus anderen Orten Deutschlands, die den Neonazis tatsächlich die Zufahrtswege versperren. Rund 12000 Gegendemonstranten zählt die Initiative "Nazifrei – Dresden stellt sich quer". Die Stadtteile sind heute wie verschiedene Welten, streng getrennt durch Hunderte von Polizisten.

Am Nachmittag steht fest, dass das Blockade-Bündnis "Nazifrei" Erfolg hat. Erstmals können die wieder mehr als 6000 aus dem In- und Ausland angereisten Rechtsextremen ihren geplanten "Trauermarsch" in Dresden nicht abhalten und werden nach Hause geschickt. Lediglich eine Kundgebung können sie vor dem Neustädter Bahnhof abhalten. An jenem Ort, von dem in der NS-Zeit über 130000 Juden in die Vernichtungslager deportiert worden sind.

Die Menschenkette auf der anderen Seite der gespaltenen Stadt werten die meisten der Gegendemonstranten als unwirksam. "Verbot statt Ringelpietz mit Anfassen, Frau Oberbürgermeisterin" steht auf einem Plakat. Bündnissprecher Stefan Thiele kritisiert, dass alternative Projekte wie das Begegnungszentrum "Conni" in der Dresdner Neustadt nicht von der Polizei geschützt worden seien und es zu Übergriffen mit Verletzten kommen konnte.

Trotzdem glaubt er nicht, dass der Erfolg aus diesem Jahr lange anhält. Der 13. Februar sei ein "Lieblingsereignis" der Neonazis. "Das werden sie nicht einfach hergeben." Aber dieser "Mythos" müsse durchbrochen werden. Mit dem heutigen Erfolg sei dies leichter zu machen, sagt Thiele. Das Bündnis hoffe dabei auch auf die noch immer fehlende Beteiligung von Stadt und Land.

Versöhnlichere Töne schlägt die Amadeo Antonio Stiftung als eine der Mitinitiatoren der Proteste an. Die Kombination aus Menschenkette, Friedensgebeten und Blockade-Aktionen habe den Erfolg von Dresden ausgemacht, sagt Stiftungssprecher Timo Reinfrank. Und natürlich der Umschwung von Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), die sich erstmals gegen den traditionellen Neonazi-Aufmarsch stark machte.

"Das Problem des Aufmarschs kann nur die Dresdner Bürgerschaft selbst lösen", sagt Christian Demuth, Vorsitzender des Vereins "Bürger.Courage". Zwar sei die Menschenkette als erstes gemeinsames Zeichen ein richtiger Schritt. Noch sei der 13. Februar aber von Ritualen, Vorurteilen und egoistischen Interessen geprägt. "Das dient nicht der gemeinsamen Sache einer wehrhaften Demokratie", kritisiert Demuth.

Auch Gerhart Baum zeigt sich vor der Frauenkirche mit Blick auf die Neonazis "bestürzt", dass der 13. Februar "immer wieder propagandistisch missbraucht wird" - auch wenn gerade Linksautonome die Rede des 77-Jährigen lauthals stören und die Opfer der Bombennacht verhöhnen. Auch deshalb fällt der Stadt der Protest so schwer. (epd)