1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Von einer Lotterie, dem Bauhaus und Apfelstrudel

Auch deutsche Einwanderer halfen beim Aufbau der israelischen Metropole Tel Aviv Von einer Lotterie, dem Bauhaus und Apfelstrudel

Von Georg Kern 16.02.2010, 11:33

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 15.02.2010 23:00:00
Wenn in Deutschland von Israel die Rede ist, geht es meistens auch um den Nahostkonflikt. Schön, wenn das mal anders ist.

So geschieht es kürzlich im Magdeburger Forum Gestaltung. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft, die Landeszentrale für Politische Bildung und die Landesarchitektenkammer haben den israelischen Journalisten und Buchautoren Igal Avidan eingeladen, der in Berlin lebt. "Israel – ein Land sucht sich selbst" heißt sein Buch, in dem er sich auch mit dem Nahostkonflikt befasst.

Diesmal jedoch spricht er über die Geschichte Tel Avivs, mit rund 390000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes. Es ist nicht so, als spiele der Palästinenserkonflikt dabei keine Rolle. Doch das Thema bietet die Chance, auch ganz andere Einblicke in die israelische Gesellschaft zu geben.

Als offzieller Gründungstag Tel Avivs gilt der 11. April 1909. Damals verloste der jüdische Unternehmer Akiva Arie Weiss, der nach Palästina eingewandert war, unter 60 Siedlerfamilien Grundstücke in der Nähe Jaffas. Als Leitbild diente ihm dabei der Roman des österreichischen Zionisten Theodor Herzl "Altneuland", in dem er seine Vision von der Gründung eines jüdischen Staates beschreibt. Im Nachwort steht der berühmte Satz: "Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen." Und ein Märchen blieben auch Weiss’ Ziele nicht.

Dem Unternehmer sei schnell klar gewesen, erläutert Avidan: Der Zionismus werde nur eine Chance haben, wenn es gelingt, einen wirtschaftlichen Mittelstand zu schaffen.

Anfangs pendelten viele Siedler aufgrund eines Geschäftsverbots in Tel Aviv noch in die benachbarte arabische Stadt Jaffa. Nachdem das Verbot jedoch aufgehoben wurde, setzte bald eine Blütezeit ein. Die Zuwanderung nach Tel Aviv hielt an. Heute ist die Metropole mit Abstand das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes.

Dabei haben auch deutsche Einwanderer das Stadtbild geprägt. Die sogenannten Jekkes, wie die Israelis die deutschen Zuwanderer nennen, die vor allem in den 1930er Jahren in das Land strömten, gelten allgemein als reinlich und organisiert, sagt Avidan und bringt die rund 80 Zuhörer mit der Bemerkung zum Lachen: "Besonders danken ihnen die Israelis auch, dass sie den Apfelstrudel mitgebracht haben."

Bis heute wird das Stadtbild von Tel Aviv stark durch das Bauhaus prägt. Architekten wie Arie Sharon, Zeev Rechter oder Richard Kauffmann brachten den Architekturstil in die Stadt. Ihre Lehrer hießen Walter Gropius, Mies van der Rohe oder Le Corbusier.

Den Bauhausstil passten die Architekten den mediterranen Gegebenheiten in Tel Aviv an. So verkleinerten sie die Fenster oder bauten große Balkons.

Heute sähen viele Israelis in Tel Aviv einen Gegenentwurf zu Jerusalem, erläutert Avidan. Während Jerusalem zum Beten gut sei, sei Tel Aviv das bessere Pflaster zum Geldverdienen und Spaß haben. Viele Bewohner von Tel Aviv seien stolz auf die liberale, weltoffene Atmosphäre der Stadt, die sich auch im blühenden Kulturleben ausdrückt.

Der Nahostkonflikt – er spielt natürlich auch für Tel Aviv eine Rolle. Aber vielleicht kann man heute in Israel nirgendwo weiter weg sein von dem Dauerstreit als in den Straßen dieser Stadt.