1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. ARD-Geschenk: Sarrazin darf bei Jauch den Euro madig machen

Ex-Bundesbankvorstand kann Sonntags-Talkshow im Gebühren-Fernsehen für kostenlose Buch-Reklame nutzen ARD-Geschenk: Sarrazin darf bei Jauch den Euro madig machen

Von Steffen Honig 22.05.2012, 05:20

Thilo Sarrazin hat wieder ein Buch geschrieben. Das neue Werk heißt "Europa braucht den Euro nicht" und sorgt schon vor dem heutigen Erscheinungstag für mächtig Aufregung.

Das, was an Grundthesen bekannt ist, dürfte unerschütterlichen D-Mark-Anhängern Freudentränen in die Augen treiben. Demnach war die Euro-Einführung falsch und kann man im Süden Europas sowieso nicht vernünftig wirtschaften. Wer wie Griechenland seinen Verpflichtungen nicht nachkomme, müsse aus der Euro-Zone fliegen und der Euro müsse vom Reflex der deutschen Kriegsschuld getrennt werden.

Deutschland weiß über Sarrazins Gedanken schon Bescheid, bevor sein Buch in den Läden liegt. Dafür hat die ARD gesorgt, über die Macher des sonntäglichen Günther-Jauch-Talks. Die hatten sich einfallen lassen, das SPD-Mitglied Sarrazin und den möglichen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück aufeinander loszulassen - mit Jauch als Schiedsrichter.

Der Moderator bleibt jedoch blass, mehr als Stichworte liefert Günther Jauch nicht. Es ist der wiederholte Versuch, ihm an der Seite besonders spektakulärer Gäste zu mehr Profil zu verhelfen. Das geht daneben. Was zeigt, dass in einem guten Entertainer nicht zwangsläufig auch ein echter Politik-Matador stecken muss.

Die beiden Kontrahenten indes erfüllen die Hoffnungen der Fernsehmacher: Thilo Sarrazin verteidigt in aller Breite seine Ansichten, die teils nationalistische Züge tragen. So führt er etwa die "unterschiedlichen kulturellen Gewohnheiten" in Europa als schlagendes Anti-Euro-Argument an.

Steinbrück spricht hingegen von "Bullshit" und erinnert an die europapolitische Verantwortung Deutschlands. "Mit Völkern spielt man nicht", sagt der frühere Finanzminister und erklärt: "Not frisst Demokratie".

In einem Punkt sind aber sogar Sarrazin und Steinbrück einig: Der Währungsunuion fehle als wichtige Basis die politische Union in Europa.

Pikant: Mit seiner Euro-Abrechnung stellt Sarrazin auch eigenes berufliches Wirken in Frage. Immerhin bereitete der promovierte Volkswirt im Bundesfinanzministerium 1990 die Währungsunion in Deutschland mit vor, war später bei der Bahn an Privatisierungsmodellen beteiligt, wurde Finanzsenator von Berlin und landete schließlich im Vorstand der Bundesbank.

Nach dem Wirbel um sein von Vorurteilen gegen Ausländer strotzendes Buch "Deutschland schafft sich ab" schaffte die Bank 2010 Sarrazin selbst ab. Er ist nun Frührentner, denn die Bundesbank zahlt ihm die Pension, die ihm regulär ab 2014 zugestanden hätte.

Sarrazin leidet also keine Not. Der Autor ist wahrlich nicht auf Gratis-Werbung zur besten Sendezeit angewiesen. Doch wenn sie ihm geboten wird, greift er selbstverständlich zu. Auch wenn sein Gegenüber mehr Beifall erhält. Und Steinbrück, dessen Kandidatur 2013 noch keineswegs sicher ist, kann ebenfalls jeden markanten Medien-Auftritt gebrauchen.

Bücher werden im Fernsehen jede Woche vermarktet. Wenn sich aber ein öffentlich-rechtlicher Sender als PR-Maschine für einen Autoren vom Schlage Sarrazins hergibt, ist jedes vertretbare Maß überschritten.

Steinbrück liegt richtig, wenn er findet, dass zuviel Empörung Sarrazins Buch nur weiter aufwertet. Genau das hat aber die Jauch-Sendung erreicht.