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Flug der ersten Chinesin ist weiterer Markstein auf dem langen Weg zur Gleichberechtigung in der Raumfahrt Koroljow: "Mir kommen keine Weiber mehr ins All"

Von Uwe Seidenfaden 20.06.2012, 05:25

Wie der Name es sagt: Bemannte Raumfahrt ist (meist) Männersache. Nicht einmal zehn Prozent der fast 600 Astronauten und Kosmonauten sind Frauen. Daran ändert auch nicht viel, dass seit Sonnabend erstmals eine Frau am Steuer des chinesischen Raumschiffs Shenzhou-9 sitzt. Liu Yang heißt die 33-jährige Luftwaffen-Majorin aus der Henan-Provinz. Im Mai 2010 ging sie als Siegerin aus einer öffentlichen Ausschreibung hervor, bei der sich Pilotinnen aus der militärischen und der zivilen Luftfahrt um die Berufung zur Taikonautin - so heißen in China die Raumfahrerinnen - bewerben konnten.

Liu Yangs Aufgabe war es, dass Shenzhou-9-Raumschiff an das zehn Meter lange und 8,5 Tonnen schwere Orbitalmodul Tiangong 1 anzudocken, um darin medizinische Forschungen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit durchzuführen. Für diese Aufgabe hat Liu Yang zwei Männer an ihrer Seite.

Zoff hinter den Kulissen

Ganz allein und als erste Frau überhaupt flog vor fast 50 Jahren die ehemalige Textilarbeiterin und Fallschirmspringerin Walentina Tereschkowa ins All. Damals wurde der Flug im Ostblock als "Beweis für die Gleichberechtigung der Frau im Sozialismus" gefeiert. Tatsächlich gab es hinter den Kulissen kräftig Zoff, insbesondere mit dem russischen Chefkonstrukteur Sergej Koroljow, wie erst Jahrzehnte später veröffentlichte Dokumente belegen.

Tereschkowa hatte während ihres Fluges nicht die Anweisungen ihres Chefs befolgt. Sie verschwieg ihre Übelkeit und hatte zudem auch noch ihren Bleistift abgebrochen, mit dem sie ihre Flugerlebnisse aufzeichnen sollte.

"Mir kommen keine Weiber mehr ins All", soll Koroljow geschimpft haben. So sahen das auch die Männer, die nach Koroljows Tod im Jahr 1966 in Russland Verantwortung für das Raumfahrtprogramm trugen. 1969, nachdem die ersten Amerikaner (wieder Männer) auf dem Mond gelandet waren, platzte für die vier Kosmonautin-Anwärterinnen, die zusammen mit Tereschkowa für einen Raumflug trainiert hatten, endgültig der Traum von einer Reise ins All.

Nicht anders erging es in den 1960er Jahren den amerikanischen Kandidatinnen. Politisch schien es der NASA nicht erstrebenswert, nach Gagarin und Tereschkowa auch beim kosmischen Geschlechterwettrennen Zweiter zu werden.

Das änderte sich erst Anfang der 1980er Jahre. Im Rahmen des Shuttle-Programms begann die NASA mit der Auswahl neuer Astronautinnen. Doch die Shuttle-Flüge verzögerten sich, und die UdSSR, die zu jener Zeit als einzige Nation eine Raumstation im All hatte, kam den USA erneut zuvor.

Böse Zungen im Westen behaupteten damals, die Kosmonautin Swetlana Sawizkaja durfte nur deshalb ins All fliegen, weil ihr Vater Jewgeni ein hochdekorierter Jagdflieger-Kommandant im Zweiten Weltkrieg war.

Ein knappes Jahr nach der zweiten Russin flog die erste Amerikanerin, Sally Kristen Ride, ins All. Für Schlagzeilen in den Medien sorgte damals, dass sie einen Lippenstift mit ins All nahm. Danach wurden Astronautinnen bei Shuttle-Flügen zur Normalität. 50 Frauen sind von 1981 bis 2011 mit einem Space Shuttle ins All geflogen. Damit liegt die USA bei der Gleichberechtigung im All deutlich vorne.

Noch auf dem Höhepunkt des kalten Krieges Mitte der 1980er Jahre standen die Chancen für die erste rein weibliche Raumschiffcrew nicht schlecht. Das änderte sich, als die damaligen Supermächte befreundete Staaten einluden. Die USA gewährten einem saudiarbischen Scheich den Mitflug während die Partei- und Staatsführung der UdSSR auf russische Frauenflüge zugunsten von Männern aus Afghanistan und Syrien verzichtete.

Britin flog gegen Geld

Für Frauen aus Europa waren die Chancen für einen Flug ins All kaum besser. Erste westeuropäische Astronautin war 1991 die Britin Helen Sharman. Die Londoner Regierung unter der Premierministerin Margaret Thatcher hatte für den Flug rund 20 Millionen Euro an Russland gezahlt. Auf Sharman folgte fünf Jahre später die französische Sportphysiologin Claudie Haigneré. Sie machte später Karriere als Europaministerin. Heute ist sie im Management der europäischen Raumfahrtbehörde ESA tätig.

Nur ein kurzes Gastspiel als Anwärterinnen eines Raumfluges gaben die Belgierin Marianne Merchez und zwei deutsche Kandidatinnen. Eine war die Leistungsschwimmerin und deutsche Meisterin Heike Walpot.

Sieben Jahre hatte sie auf eine Mitfluggelegenheit vergeblich gewartet, dann zog sie den Job einer zivilen Flug-Pilotin bei der Lufthansa vor. Vorzeitig aus dem Training ausgeschieden ist ebenfalls Renate Luise Brümmer, die zusammen mit Heike Walpot für einen Flug trainiert hatte. Sie kehrte in ihrem Beruf als Meteorologin zurück.

Als einzige Deutsche ins All schaffte es bisher nur Carola Krause - leider nicht so wie gehofft. Die 16-jährige Schülerin, die Luft- und Raumfahrttechnik studieren wollte, starb im Sommer 1999 auf tragische Weise bei einem Verkehrsunfall. Ihre Asche wurde mit einer Rakete ins All geschossen.

Kein Zweifel, Frauen, die nach den Sternen greifen, haben es schwerer als Männer, ihren Weg in den Erdorbit zu finden. Eine von bisher vier Asiatinnen, die es bis ins All geschafft haben, ist die Süd-Koreanerin Yi So-yeon. Dabei war auch sie zunächst einem männlichen Mitbewerber unterlegen. Doch der erwies sich während der Ausbildung im Moskauer Sternenstädchen als korrupt.

Und so kam Yi So-yeon zum Zuge. Heute ist sie unablässig auf Vortragstour auf allen Kontinenten. Ihr Handy-Klingelton ist das Lied "Fly Me to the Moon" (Fliege zum Mond) in einer Interpretation von Frank Sinatra.

Gut möglich, dass die erste Frau auf dem Mond aus Asien kommen wird.