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Gastbeitrag von Professor Michael Schenk, Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt des Vereins Deutscher Ingenieure Der Titel "Dipl.-Ing." ist sinnvoll und zukunftssichernd

14.05.2010, 05:17

Seit geraumer Zeit wird mit viel Polemik über das Ende des Titels "Dipl.-Ing." diskutiert. Zum Leidwesen unserer jungen Generation, der damit die Orientierung genommen wird und somit der Weg zur Berufswahl in eine technische Richtung noch schwerer fällt. Denn schon heute wissen wir, dass wir zu wenige Ingenieure als Absolventen haben und die Lücke zwischen Bedarf und Angebot an jungem Nachwuchs immer größer wird. Eine Umfrage unter 500 Studierenden zeigt, dass eine Klärung dringend notwendig ist und die Mehrheit für den Beibehalt des Dipl.-Ing. als Abschluss plädiert.

139000 Ingenieurinnen und Ingenieure sind Mitglied im größten technisch-wissenschaftlichen Verein Europas, dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Der VDI unterstützt aus den oben genannten Gründen den Bolognaprozess seit Beginn an und wird dies auch zukünftig tun. Nur auf diesem Weg werden in der Europäischen Union einheitliche Standards in der Ausbildung im Hochschulbereich gewährleistet. Das ist selbstverständlich auch für technische und naturwissenschaftliche Fächer notwendig.

Grundlegende Vorgaben sind die Basis für Studien in unterschiedlichen Ländern beziehungweise an unterschiedlichen Hochschulen, um die Vergleichbarkeit von Abschlüssen zu sichern und eine weitere Intensivierung der europäischen Zusammenarbeit zu initiieren. Eine wesentliche Arbeit des VDI besteht unter anderem darin, Normen und Standards zu entwickeln, die über Jahrzehnte hinweg weltweit zum Maßstab geworden sind und so den Maschinen-, Anlagen-, Fahrzeugbau als auch die Energietechnik prägen. Dieser Einfluss ist auch nicht verwunderlich, da der VDI auf eine lange Tradition und eine Vielzahl an Erfahrungen zurückblicken kann.

Er wurde am 12. Mai 1856 in Alexisbad gegründet und agiert heute mit seinen 12 Fachgesellschaften und über 60 Fachbereichen weltweit. Die ca. 1800 aktuellen Richtlinien geben unter anderem davon Zeugnis ab.

Das alles basiert auf einer fundierten ingenieurtechnischen Ausbildung, der erstmalig in Deutschland 1899 der Abschluss des Dipl.-Ing. und seit 1901 das Promotionsrecht zum Dr.-Ing. zuerkannt wurde. Diese Entwicklung ermöglichte ab dem 19. Jahrhundert die Industrialisierung und den Wohlstand in Deutschland und hat uns bis heute zum Exportweltmeister technischer Produkte und Dienstleistungen gemacht.

Eine Entwicklung im Hochschulwesen, um die man uns bis heute beneidet und die in der Vergangenheit viele Nachahmer gefunden hat. Wollen wir auch in Zukunft auf diesem für uns so wichtigen Gebiet die Nase vorn haben, müssen wir diesen Anspruch unserer Ausbildung bewahren, für die das angelsächsische System nichts Vergleichbares kennt. Deshalb empfiehlt der VDI die Beibehaltung des Anspruches und der Marke: Dipl.-Ing.

Zum Vergleich soll folgendes Beispiel dienen: Für den Automobilbau gibt es einheitliche Standards, trotzdem würden wir es nicht akzeptieren, dass alle Fahrzeuge europäischer Hersteller nur noch die Marke "EU-Auto" besitzen würden.

Bei aller Einheitlichkeit in den Standards legen die Hersteller großen Wert auf ihre jeweiligen Alleinstellungsmerkmale. Für das Hochschulwesen in Europa bedeutet das, den Bolognaprozess konsequent fortzusetzen und unsere Alleinstellungsmerkmale in der ingenieurtechnischen Ausbildung beizubehalten.

Eine Lösung für beide Probleme besteht darin, sowohl den Bachelor und Master anzuerkennen und zu vergeben, als auch dazu ergänzend den akademischen Titel Dipl.-Ing. zu führen. Dass das geht, machen uns bereits weltweit etablierte Universitäten in Österreich vor. Damit stellt man sich Neuem für die Zukunft und bewahrt zugleich unsere Stärken!