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Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer Magdeburg / IHK-Präsident Klaus Olbricht: "Wir sind relativ glimpflich durch die Krisenzeit gekommen"

Von Torsten Scheer und Bettina Koch 07.01.2011, 04:26

Zu ihrem traditionellen Neujahrsempfang hatte die Industrie- und Handelskammer Magdeburg rund 800 Vertreter von Wirtschaft, Politik, Kultur, Wissenschaft, Sport und Gesellschaft am Mittwochabend in das Magdeburger Maritim-Hotel geladen, unter ihnen als Ehrengäste Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Spitzenkandidaten von CDU und SPD zur Landtagswahl am 20. März, Wirtschaftsminister Reiner Haseloff und Finanzminister Jens Bullerjahn.

Magdeburg. Als Sprachrohr der Wirtschaft im nördlichen Sachsen-Anhalt vertritt die IHK die Interessen von mehr als 50 000 Unternehmen. Im Mittelpunkt des zu den Höhepunkten des gesellschaftlichen Lebens in Sachsen-Anhalt zählenden Neujahrsempfangs standen die Reden des Präsidenten der IHK, Klaus Olbricht, sowie der Kanzlerin.

Die Unternehmen im Kammerbezirk seien unterschiedlich von der Wirtschafts- und Finanzkrise betroffen gewesen, warf der IHK-Präsident in seiner Grundsatzrede zunächst einen Blick zurück. "Im Großen und Ganzen lässt sich für unsere regionale Wirtschaft jedoch festhalten: Wir sind relativ glimpflich durch die Krisenzeit gekommen."

Dass es sowohl auf Bundesebene als auch regional nicht zu großen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt gekommen sei, daran habe neben der Flexibilität der Unternehmen die Liberalisierung der Kurzarbeit einen entscheidenden Anteil gehabt, unterstrich Olbricht. Dafür gebühre der Politik, die in schwieriger Lage "entschlossen und richtig" gehandelt habe, Dank und Anerkennung.

In schwieriger Zeit hätten zudem Geschäftsbanken und Förderinstitutionen wie die KfW auf Bundesebene sowie die Investitionsbank und die Bürgschaftsbank auf Landesebene "partnerschaftlich einiges möglich gemacht".

Besonders stolz könne man auf die mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II und dem Landeshaushalt unterstützte Gründung des Instituts für Kompetenz in AutoMobilität (IKAM) in Barleben sein, hob Olbricht hervor. "Für die Unternehmerschaft ist dies ein Zeichen, dass die Stärkung der Zukunftsfähigkeit des Landes und der Innovationskraft der heimischen Wirtschaft für unsere Landesregierung nicht nur ein Lippenbekenntnis ist." Er sei fest davon überzeugt, dass das IKAM in den kommenden Jahren wesentliche Impulse für neuartige Fahrzeug- und Antriebstechniken liefern werde, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts an Umweltschutz, Verkehrssicherheit und flexible Mobilität gerecht würden.

Reserven machte der IHK-Präsident im Exportgeschäft aus. Er verwies auf ein umfängliches Instrumentarium, mit dem die IHK den Unternehmen helfen könne, Märkte insbesondere in Osteuropa zu erschließen. Als Beispiele nannte er die Außenwirtschaftsfördergesellschaft InterCom, das bei der IHK angesiedelte Enterprise Europe Network (EEN), das Kontaktbüro im südrussischen Krasnodar oder die Kammerunion Elbe/Oder, in der 32 polnische, tschechische und deutsche Kammern zusammenarbeiten.

Ein ausdrückliches Bekenntnis legte der IHK-Präsident zur Nordverlängerung der Autobahn A 14 von Magdeburg nach Schwerin ab. "Die A 14 ist von zentraler Bedeutung nicht nur für die Ansiedlung neuer Unternehmen entlang dieser Achse, sondern auch für den Fortbestand der bereits in der Region tätigen Unternehmen", betonte Olbricht.

Fachkräftesicherung ist Zukunftsaufgabe

Als die größte Herausforderung der kommenden Jahre benannte er die demografische Entwicklung. Ein "Dauerbrennerthema" bleibe in diesem Zusammenhang die Bildungspolitik.

"Für die Unternehmerschaft ist klar: Bei einem insgesamt schrumpfenden Angebot an Nachwuchskräften muss der Fokus eindeutig auf einer bedarfsgerechten Ausbildung in den Schulen und Hochschulen liegen", forderte Olbricht. Das betreffe das Fachwissen selbst wie auch die Vermittlung von sozialen Fähigkeiten und Methodenkompetenz. Die IHK und die Wirtschaft würden sich in diesen Prozess unter anderem über eine Stiftungsprofessur zur Ausbildung von Lehrern für das Fach "Wirtschaft" an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität oder den weiteren Ausbau der IHK-Stipendieninitiative einbringen.

Mit Blick auf die kommende Landtagswahl sprach Olbricht Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) und seiner "Koalitionsmannschaft" für ihre Arbeit in der zu Ende gehenden Legislaturperiode "ausdrücklich Dank und Anerkennung" aus. Insbesondere hob er Böhmers "fortwährende Unterstützung der Belange der regionalen Wirtschaft" hervor.

Im "Job-Sharing", wie Haseloff es nannte, überbrachten der Wirtschaftsminister sowie Finanzminister Bullerjahn das Grußwort der Landesregierung. Beide äußerten sich froh und zufrieden, dass die Wirtschaft allen Hochrechnungen und Prognosen während der Krise zum Trotz nicht am Boden liegt. Es sei anders gekommen, und das gebe die Möglichkeit, viel mehr zu gestalten, als vorhersehbar war, so Bullerjahn. Haseloff verwies auf 8300 neue Jobs, die im vergangenen Jahr entstanden sind, der Personalabbau im öffentlichen Dienst sei dabei schon gegengerechnet. Die Landesregierung habe "ihre Aufgabe so schlecht nicht gemeistert und die vorhandenen Instrumente richtig genutzt". Es stünden aber noch harte Konsolidierungsmaßnahmen bevor. Bullerjahn verwies auf die Notwendigkeit, nicht nur keine Neuverschuldung mehr zuzulassen, sondern ab 2013 mit der Schuldentilgung zu beginnen. Einen großen Teil der Landesmittel für Zinszahlungen zu binden, könne nicht Sinn der Sache sein.

Sachsen-Anhalts Landesregierung habe gezeigt, dass man Wirtschaftswachstum und solide Haushaltsführung miteinander verbinden kann, lobte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem IHK-Neujahrsempfang. Das Land habe die wirtschaftliche Entwicklung nach vorn gebracht und zugleich einen sozialen Ausgleich geleistet. Merkel verwies auf die Bürgerarbeit, mit der langzeitarbeitslose Menschen wieder an sinnvolle Arbeit herangeführt werden.

Die Kanzlerin äußerte sich stolz, dass Deutschland in der Arbeitsteilung und im Zusammenspiel von Bund, Ländern, Kommunen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Krise so gut gemeistert habe. "Hier wurde soziale Marktwirtschaft wirklich gelebt", sagte sie. "Wir hätten den Unternehmen nie befehlen können, Kurzarbeit und tarifliche Flexibilität anzuwenden, das ging nur mit dem Willen der Unternehmen." Die Verantwortung sei auf vielen Schultern getragen worden. "Und heute ist die Beschäftigung besser als vor der Krise, auch wegen des demografischen Wandels, aber nicht nur", so Merkel weiter.

Die Veränderung des Altersaufbaus erfordere künftig aber noch viel Kreativität, um den Fachkräftebedarf zu sichern. Merkel forderte die Unternehmen auf umzudenken, mehr ältere Arbeitskräfte zu beschäftigen und familienfreundlich zu sein. "Kämpfen Sie um Ihre Fachkäfte!", mahnte sie.