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"Women are Future"-Preis für Altmärkerin Mit Ende 50 auf der Erfolgsspur

2011 schrieb sie ihren ersten Businessplan. Ein Jahr später machte ihre
Logistikfirma schon 1,5 Millionen Euro Umsatz. Dabei ist Renate Meidt
alles andere als ein Unternehmertyp. Dennoch ist es die
Erfolgsgeschichte einer Frau, die ihrer Heimat treu bleiben wollte und
nun geehrt wird.

Von Sibylle Sperling 13.03.2014, 01:19

Kläden l Die 58-jährige Jungunternehmerin wird geradezu überrollt. Weil sie vor Monaten im Rahmen des transnationalen Projektes "Women" als Unternehmerin vorgeschlagen worden ist, wird sie nun auf die große Bühne geholt, nach Magdeburg. Eine europäische Jury würdigt dort ihre vor zweieinhalb Jahren gegründete GmbH als bestes Start-Up-Unternehmen international mit dem "Women are Future"-Preis. Die Firma sei ein unternehmerisches Vorbild für junge Frauen in Sachsen-Anhalt, die allzuoft aus ländlichen Regionen flüchten würden, so Dörte Balewski, die das EU-Projekt mitbetreut.

Keine Perspektive im Zellstoffwerk

Drei Jahre ist es her, als Renate Meidt ihre Geschäftsidee umsetzen und ein Transportunternehmen gründen wollte, das Waren und freie Lkw-Ladeflächen zueinanderbringt. Als sie damals ihre Festanstellung im Zellstoffwerk kündigte, wusste niemand von ihrem Vorhaben. Nur ihr Chef. Seine Worte hat sie noch heute im Ohr: "Ich hätte sie für intelligenter gehalten."

Jahrelang hatte die studierte Ökonomin im Speditionsgewerbe gearbeitet. Als "kleine Disponentin" im Zellstoffwerk seit 2004, sagt sie. Ihrer berufliche Karriere - eine Einbahnstraße, Aufstiegsmöglichkeiten gab es für die Angestellte nicht. "Es konnte nichts mehr kommen, Teamleiter hätte ich nicht werden können. Das hatte mich unzufrieden gemacht."

Sie suchte nach einer neuen Herausforderung. Andere Speditionsbetriebe? Fehlanzeige in einer strukturschwachen Region wie der Altmark. Und aus ihrer Heimat wegzugehen, kam für die alleinstehende Klädenerin nicht infrage. "Ich hatte hier alles, mein Grundstück und ich kenne die Mentalität der Leute. Aus der Region wegzugehen stand für mich nie zur Diskussion. Im Gegenteil."

Im September 2011 gründete Renate Meidt ihre eigene Logistic Service GmbH, saß bereits im Oktober im Büro ihres Wohnhauses, ohne Angestellte, ohne Kredit. Heute ist ihr Wohnhaus eine Baustelle - Vergrößerung ja, aber im kleinen Maßstab. Ein Firmenschild am Eingang fehlt. Nichts deutet auf ein europaweit agierendes Unternehmen hin. Im Kellerbüro sitzt die Geschäftsführerin am Schreibtisch, vor ihr zwei Bildschirme und ein Telefon. Spediteure oder Kunden melden sich im Sekundentakt - die einen suchen nach freien Ladeflächen, die anderen haben noch Platz auf ihren Lkws. Meidts Logistic-Service bringt beide zusammen, sorgt dafür, dass Leerfahrten reduziert werden. "Sie erbringt Leistungen, die Mitbewerber ablehnen, da diese zu kompliziert sind", steht im Begründungsschreiben der Women-Projekt-Jury. Bereits nach einem Jahr machte ihre Firma einen Umsatz von 1,5 Millionen Euro. Im Gründungsjahr fing sie mit 500 Transporten an, 2013 waren es 3600.

40 Kunden, 1500 Spediteure

Die von ihr georderten Transporte überbringen Altpapier, Holz oder zerschredderte PET-Flaschen bis nach Litauen oder Griechenland. 1500 Spediteure und 40 Kunden betreut Meidt, eine davon ist sogar aus der unmittelbaren Nachbarschaft: Die Klädener Suppenmanufaktur.

Natürlich hatte die Firma auch Durststrecken. Als 2012 der damals größte Kunde - Deli-Papier - absprang, hatte sich die Umsatzzahl für einen Monat halbiert. Nervös wurde die Unternehmerin da schon, schließlich hatte sie seit Monaten am Limit gearbeitet, musste sich schließlich Unterstützung von einer 400-Euro-Kraft holen.

Mittlerweile hat sie zwei Festangestellte. Die Arbeit macht Spaß, sei abwechslungsreicher als vorher. "Früher habe ich nur Disponentenarbeit gemacht. Jetzt übernehme ich den gesamten Betriebsablauf." Eine Firmen-Homepage gibt es bis heute nicht. "Wozu? Wenn sie meinen Namen bei Google eingeben, kommt mein Name gleich hundert Mal."

Dass sie alles richtig gemacht hat, davon ist sie überzeugt. "Jetzt überlegen sogar zwei meiner Kinder, zurückzukommen." Nach dem Studium hatten sie Arbeit gefunden - in den alten Bundesländern, ihre Tochter als Ingenieurin bei Daimler, ihre Söhne in der Hard- und Softwareentwicklung. "Bevor ich mich selbständig gemacht habe, war ihre Rückkehr nie ein Thema."