Stadtplanung Die Stadt frisst das Land

Architekten und Stadtplaner in Mitteldeutschland stellen sich auf
weitere Landflucht ein. Das hat Folgen - vor allem für die betroffenen
Städte.

20.05.2014, 01:16

Magdeburg (dpa) l Landflucht, Denkmalschutz und neue Technik: Diese Themen haben Architekten und Stadtplaner aus Mitteldeutschland für die kommenden Jahre auf ihrer Agenda. 150 Kollegen wollen am 23. Mai beim Mitteldeutschen Architektentag in Naumburg über die Herausforderungen der Zukunft diskutieren.

Für die Kreativen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen geht es um Demografie, den Erhalt alter Gebäude und Hightech am Bau. Ralf Niebergall, Präsident der Architektenkammer Sachsen-Anhalt, fasst den "Zeitrahmen Zukunft" lieber nicht zu weit. "Wir fahren auf Sicht", sagt er im Interview.

Zukunft heißt auch demografischer Wandel. Hat das platte Land auf Dauer gegen die pulsierende Stadt verloren?
Ralf Niebergall: Das Stadt-Land-Verhältnis ist tatsächlich von Kannibalismus geprägt. Wir sind mit einem Absaugen der Bevölkerung vom Land in Richtung Stadt konfrontiert. Hier müssen wir neue Strategien für den ländlichen Raum entwickeln.

Viele Menschen wollen also in die Stadt. Was heißt das für das Stadtbild?
Das ändert sich. Die Gesichter der Städte werden andere, und das ist äußerst diffizil. Wir haben Wachstum durch Neubau in der Kernstadt und Abriss und Rückbau am Rand. Für die Altstädte ist das eine positive Entwicklung. Trends wie das "Urban Farming", also das Gärtnern auf Dächern oder in Innenhöfen, zeigen die urbane Sehnsucht nach Natur. Innerstädtische Brachen werden plötzlich ein Objekt der Begierde, weil die Monostrukturen der Plattenbauten den Wohnansprüchen nicht mehr genügen.

Also wollen alle den Altbau mit Stuck und Dielenboden?
Das ist klar ein Trend. Aber im Altbau muss die Kosten-Nutzen-Bilanz trotzdem sinnvoll sein. Ein Mieter in einem Gründerzeitbau mit 3,50 Meter hohen Räumen, Doppelflügelfenstern und altem Holzfußboden will keine horrenden Nebenkosten bezahlen. Es soll alt aussehen, aber modern sein. Die Architekten müssen das in einem eng gefassten Rahmen auspendeln. Und oft verschränkt der Denkmalschutz abwehrend die Arme. Architekten sind in diesem Spiel die Generalisten, aber Zauberer sind sie nicht.

Ihr Haus der Zukunft, wie sieht das aus?
Das gibt es zum Glück nicht. Ein Architekt sollte immer nah an den individuellen Lebensträumen seiner Bauherren dran sein. Dann wird auch die Zukunft erfrischend vielfältig.

Wer sich mit der Zukunft befasst, plant am besten vorausschauend. Aber lässt sich die Zukunft überhaupt planen?
Zukunft lässt sich nicht planen. Wir fahren maximal auf Sicht. Die Zukunft in Mitteldeutschland ist auch eine andere als in Dubai oder Peking. Es ist wichtig, die Herausforderungen in unserer Region zu benennen und Visionen zu entwickeln - auch über die Architektur hinaus. Viele Fragen erfordern den übergeordneten Blick von Stadtplanern und Landschaftsarchitekten.