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Schienen-Netze Bahn kritisiert unfairen Wettbewerb

Die Bahn-Tochter DB Regio hat im mitteldeutschen Schienenverkehr zuletzt
viele Aufträge an die Konkurrenz verloren. DB-Regio-Chef Frank
Klingenhöfer kritisiert, dass der Wettbewerb auf den Rücken der
Mitarbeiter ausgetragen wird.

02.08.2014, 01:18
ARCHIV - Ein Regionalzug der DB Regio der Deutschen Bahn fährt am 04.11.2013 über eine Bahntrasse bei Immensen in der Region Hannover (Niedersachsen). Die Arbeiten von Bundeswirtschafts- und Energieminister Gabriel am Ökostrom-Gesetzentwurf sind in der Endphase, doch die geplanten Einsparungen könnten klein ausfallen. Die Bahn schlägt hinter den Kulissen Alarm und warnt vor höheren Fahrpreisen. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa (zu dpa "Gabriels Ökostrom-Reform droht das Zerfleddern" vom 26.02.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++
ARCHIV - Ein Regionalzug der DB Regio der Deutschen Bahn fährt am 04.11.2013 über eine Bahntrasse bei Immensen in der Region Hannover (Niedersachsen). Die Arbeiten von Bundeswirtschafts- und Energieminister Gabriel am Ökostrom-Gesetzentwurf sind in der Endphase, doch die geplanten Einsparungen könnten klein ausfallen. Die Bahn schlägt hinter den Kulissen Alarm und warnt vor höheren Fahrpreisen. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa (zu dpa "Gabriels Ökostrom-Reform droht das Zerfleddern" vom 26.02.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++ dpa

Magdeburg l Momentan deckt die DB Regio noch zwei Drittel des mitteldeutschen Schienenverkehrs ab. Bis 2020 könnte der Marktanteil der Bahn-Tochter aber auf knapp 50 Prozent sinken - wenn Mitbewerber wie die niederländische Abellio oder die französische Veolia wie zuletzt bei großen Strecken-Ausschreibungen den Zuschlag erhalten.

DB-Regio-Chef Frank Klingenhöfer kritisiert, dass sich die Konkurrenz in letzter Zeit nur deshalb durchsetzen konnte, weil sie ihren Beschäftigten niedrigere Löhne zahlt und somit günstigere Leistungen anbietet als die Bahn-Tochter. "Hier wird der Wettbewerb auf den Rücken der Bahn-Mitarbeiter ausgetragen", findet Klingenhöfer.

Vom Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt (NASA), der im Auftrag des Landes den Wettbewerb im Schienenverkehr regelt, fordert der DB-Regio-Chef, künftig bei Ausschreibungen einheitliche Sozialstandards für die Beschäftigten vorzuschreiben. "Dann würde es nicht mehr nur um niedrige Personalkosten, sondern auch um innovative Betriebskonzepte und Serviceleistungen der Anbieter gehen", so Klingenhöfer.

Abellio und Veolia zahlen geringere Löhne

Strittig ist jedoch, ob das Lohngefälle zwischen den Unternehmen tatsächlich so groß ist. Klingenhöfer meint, der Haustarifvertrag der DB Regio liegt etwa 10 Prozent über dem Niveau des Branchentarifvertrags der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Abellio hält dagegen: die Mitarbeiter erhielten 95 bis 103 Prozent von dem, was DB-Beschäftigte bekommen würden. Konkrete Angaben zur Ausgestaltung der Tarifverträge machen aber weder Klingenhöfer noch die Konkurrenten Abellio und Veolia.

Nach weiteren Volksstimme-Recherchen verdienen Lokführer bei der DB Regio je nach Qualifikation und Berufserfahrung zwischen 36000 und 46000 Euro brutto im Jahr und können 28 bis 30 Urlaubstage nehmen. Für Lokführer, die bei Abellio und Veolia arbeiten, gilt der Branchentarifvertrag der EVG. Demzufolge erhalten sie nur zwischen 31000 und 37000 Euro pro Jahr, wobei sie je nach Geschäftsfeld und Schichten im Schnitt weitere 4200 Euro an Zulagen hinzuverdienen können. Die Zahl der Urlaubstage beläuft sich wie bei der DB Regio auf 28 bis 30.

Unterschiede in der Bezahlung gibt es auch beim Service-Personal. Bei der DB Regio verdienen Zugbegleiter zwischen 32.000 und 42.000 Euro pro Jahr. Abellio und Veolia zahlen Zugbegleitern nach EVG-Vertrag hingegen nur zwischen 28.000 und 31.000 Euro.

DB Regio unterstellt Verzicht auf Lohnstandards

Der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt lehnt die Forderungen Klingenhöfers nach einheitlichen Sozialstandards trotz der Lohndifferenzen ab. "Die Unterschiede in den Tarifen machen nur 5 bis 7 Prozent aus", meint NASA-Sprecher Wolfgang Ball. Ferner werde bereits bei Ausschreibungen darauf Wert gelegt, dass die Beschäftigten mindestens nach dem Branchentarifvertrag der EVG bezahlt werden. Die Personalkosten der Anbieter seien daher auch nicht ausschlaggebend bei Vergabe-Entscheidungen.

Klar dürfte aber sein: Müssten Abellio und Veolia identische Löhne zahlen, könnten sie wohl kaum noch bessere Angebote für Strecken-Netze machen als die DB Regio. Von seiten der Bahn-Tochter unterstellt man dem Nahverkehrsservice daher auch, bewusst auf einheitliche Lohnstandards zu verzichten. Der Nahverkehrsservice regelt ja nicht nur den Wettbewerb. Er sieht zu, möglichst günstig Schienenverkehre anzubieten - ganz im Interesse des Landes Sachsen-Anhalt.

Mehr als 900 Jobs fallen bei der DB Regio weg

Der DB Regio bleibt daher wohl nichts anderes übrig, als den eingeschlagenen Spar-Kurs fortzusetzen. Ausgangspunkt hierfür war der Verlust des großen Saale-Thüringen-Südharznetzes an Abellio im Jahr 2012. Bis 2017 sollen 900 der insgesamt 3000 Stellen in Sachsen-Anhalt wegfallen. Die betroffenen Mitarbeiter haben zwei Möglichkeiten: Entweder sie lassen sich im Bahn-Konzern auf eine Stelle in einem anderen Bundesland versetzen, oder sie bewerben sich bei der Konkurrenz, bei der sie im Zweifelsfall weniger verdienen.

Sollte es der DB Regio nicht gelingen, durch die Umstrukturierungen wettbewerbsfähiger zu werden, droht weiterer Jobabbau. Im August startet bereits die Ausschreibung für das Dieselnetz Sachsen-Anhalt. In dem Netz fahren die DB Regio und Veolia (mit dem Harz-Elbe-Express HEX) derzeit gemeinsam. Sollte Veolia ab 2018 das gesamte Netz befahren dürfen, stünden bei der DB Regio weitere 300 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Ungemach droht auch in Sachsen. Bei der Bahn-Tochter rechnet man bereits damit, dass sich die Konkurrenz bei der Ausschreibung des Elektronetzes Mittelsachsen durchsetzt. Sollte das so kommen, wären ab 2016 weitere 280 Arbeitsplätze gefährdet.