Sharing Economy Teilen statt kaufen

Waren und Dienste nicht kaufen, sondern sie teilen, verschenken oder
leihen - ein neuer Trend. Forscher sehen großes ökonomisches Potenzial
in der "Sharing Economy". Globale Player wie das Unternehmen Uber lassen
Taxifahrer um ihre Jobs bangen.

09.09.2014, 01:21

Frankfurt am Main (epd) l David Weingartner sagt über das Autofahren: "Ich wüsste nicht, warum ich ein eigenes Auto brauche." Dabei fährt der Münchner Berater gern und braucht auch aus beruflichen Gründen immer wieder einen Wagen. Er leiht ihn sich dann über einen Car-Sharing-Anbieter, wie es sie inzwischen in jeder größeren Stadt gibt. Die Unternehmen bekommen eine Gebühr, die Autobesitzer die Spritkosten erstattet und - je nach Vereinbarung - eine Versicherungspauschale und einen Leihpreis.

"Ein Carsharing-Fahrzeug kann acht Autos ersetzen", sagt Weingartner, der für das Netzwerk Ouishare Unternehmen und Verbraucher über kollaborative Wirtschaftsformen wie Tauschen und Teilen berät. "Die Ressourcen der Welt werden knapp. Schon deshalb müssen sich sparsamere Wirtschafts- und Konsumformen entwickeln."

Zum Teilen und gemeinsamen Nutzen gibt es im Internet reichlich Angebote: Von Rasenmähern und Übernachtungsmöglichkeiten bis zum privaten Kredit oder der überschüssigen Suppe von der letzten Party - alles kann ge- und verliehen werden. "Tauschen und Teilen gibt es zwar seit der Steinzeit", sagt Weingartner. "Durch die digitale Vernetzung ist es aber viel einfacher und in größerem Umfang möglich, da die passenden Tauschpartner einfach per Smartphone-App gefunden werden können."

Menschen kennenlernen und dabei Geld sparen

Mehr als die Hälfte der Deutschen hat schon Erfahrungen mit dieser Wirtschaftsform gemacht, zeigt eine Studie der Universität Lüneburg zur "Sharing Economy", wie die Wirtschaftsform im Vergleich zur etablierten "Old Economy" genannt wird. "Besonders die jüngere Generation belebt das Teilen im Internet", sagt Nachhaltigkeitsforscher Harald Heinrichs. "Neben dem Wunsch, schonender zu konsumieren, geht es auch darum, über das Teilen Menschen kennenzulernen und Geld zu sparen."

Auch eine Studie der Forscher vom Schweizer Gottlieb-Duttweiler-Institut GDI zeigt: Konsumenten wollen zunehmend "nutzen statt besitzen", beinahe täglich entstünden neue Online-Startups, die Waren und Dienste für alles anbieten, was sich teilen lässt.

"Die Vorstellung von Status verändert sich", sagt der Lüneburger Professor Heinrichs. "Statt ein Auto zu besitzen, wird es wichtiger, sich flexibel den Zugang zu Konsumgütern verschaffen zu können." Er sieht auch deshalb großes Potenzial in der "Sharing Economy".

Besseren Zugang zu Konsumgütern

Ihre Auswirkung auf die Volkswirtschaft ist allerdings unerforscht: Kaufen Menschen weniger neue Produkte, wächst nach den üblichen Kennzahlen die Wirtschaft langsamer. "Allerdings haben Menschen bei einer stärkeren Teilwirtschaft besseren Zugang zu Konsumgütern", sagt Heinrichs. "Und es werden weniger Ressourcen gebraucht." Im großen Stil könne eine "Sharing Economy" aber nur in stabilen Staaten wie den Ländern der EU oder in den USA funktionieren, sagt der Augsburger Wirtschaftswissenschaftler Daniel Veit. "Teilen braucht Vertrauen und ein Mindestmaß an Wohlstand, da ja etwas zum Teilen da sein muss."

Doch ist die Teilwirtschaft längst mehr als eine alternative Nische. Das inzwischen milliardenschwere Vermittlungsportal für private Unterkünfte AirBnB bietet 800.000 Übernachtungsmöglichkeiten in 190 Ländern an - und macht so den Hotels massiv Konkurrenz. Weltweit stört sich die Tourismusbranche daran, dass sie für Hotelräume Steuern abführen und Sicherheitsstandards einhalten muss, was aber für die privaten Zimmer-Vermieter nicht gelte.

Das Landgericht Frankfurt hat vergangene Woche dem Mitfahrdienst und Taxischreck Uber untersagt, Kunden an Fahrer zu vermitteln, die keinen Personenbeförderungsschein besitzen. Doch das US-Unternehmen mit einem Umsatz von 213 Millionen Dollar hat angekündigt, seine Tätigkeit in Deutschland fortzusetzen. "Eine politische Regulierung der \'Sharing Economy\' ist überfällig", sagt Veit. "Digitale Medien haben eine neue Dimension der Tauschwirtschaft eröffnet, für die nun auch neue Spielregeln gefunden werden müssen."