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Bundesagentur rechnet mit robusten Arbeitsmarktzahlen "Mindestlohn gefährdet kaum Jobs"

Der Mindestlohn wird nach Prognosen der Bundesagentur für Arbeit keinen großen Stellenabbau in Sachsen-Anhalt nach sich ziehen. Im Gegenteil: Die Behörde rechnet mit Beschäftigungszuwachs. Kaum Chancen haben aber weiterhin Langzeitarbeitslose.

14.01.2015, 01:09

Halle l Kay Senius blickt zuversichtlich auf das Jahr 2015. "Der Arbeitsmarkt wird sich robust weiterentwickeln", sagte der Chef der Arbeitsagenturen in Sachsen-Anhalt am Dienstag in Halle. Daran werde auch die Einführung des Mindestlohns nichts ändern. "Wir haben keine Anhaltspunkte, dass größere Entlassungswellen bevorstehen."

Zwar konnte Senius die Einschätzung noch nicht mit Zahlen belegen, doch seine Behörde hat einen verlässlichen Anhaltspunkt: Wird ein Arbeitnehmer gekündigt, muss er seine drohende Arbeitslosigkeit drei Monate im Voraus der zuständigen Arbeitsagentur melden. Die Zahl solcher Meldungen ist Senius zufolge jedoch nicht höher als sonst um diese Jahreszeit.

"Wir verzeichnen einen leichten Anstieg der Arbeitslosenquote, der aber saisonal bedingt ist, weil im Winter bestimmte Arbeiten nicht ausgeführt werden können." Senius geht davon aus, dass die Arbeitslosenquote im Laufe des Jahres wieder unter die Zehn-Prozent-Marke fällt, insbesondere wenn die Konjuktur im Frühjahr und Herbst anzieht.

Folgen des Mindestlohns bestehen Senius zufolge eher darin, dass Unternehmen höhere Personalkosten in Form von Preiserhöhungen an die Kunden weitergeben. "Der Mindestlohn wird wie andere Sozialstandards entweder über Preiserhöhungen oder über die Steigerung der Produktivität ausgeglichen", so Senius. Höchstens vereinzelt würden Unternehmer den Angestellten kündigen.

Wenig Chancen für Langzeitarbeitslose

Es bleiben aber auch Probleme: Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich verfestigt. 2014 waren 37,7 Prozent der 125 559 Arbeitslosen länger als ein Jahr ohne Job, der Anteil stieg um 0,4 Prozentpunkte. Senius zufolge haben die Betroffenen weiterhin schlechte Chancen auf Beschäftigung. Einstellungshemnisse sind zumeist fortgeschrittenes Alter und gesundheitliche Probleme. Es geht aber auch um Akzeptanz: "Eine Umfrage hat ergeben, dass fast jeder zweite Unternehmer keine Langzeitarbeitslosen einstellen will", berichtete Senius. Er hofft, dass die vom Bund beschlossenen Förderprogramme so manchen Firmenchef noch mal umstimmen. Zudem sei das Land als Arbeitgeber in der Pflicht: "Auch die landeseigenen Betriebe und kommunalen Unternehmen könnten Langzeitarbeitslosen bessere Chancen einräumen", forderte Senius.

Besonders schlechte Aussichten auf Beschäftigung hätten Langzeitarbeitslose über 58 Jahre. Ihnen müsse Teilhabe über öffentliche Beschäftigung angeboten werden, so der Arbeitsagentur-Chef. "Wir brauchen wieder Modelle der Bürgerarbeit." Im Gegensatz zu Thüringen stellt Sachsen-Anhalt für solche Modelle derzeit jedoch kein Geld bereit. Ein weiteres Problem für den Arbeitsmarkt ist der zunehmende Fachkräftemangel. In den Bereichen Elektronik, Energie, Informatik, Metallbau und Bau können die Unternehmen derzeit bis zu 23 Prozent der Stellen nicht besetzen. Die Arbeitslosen passen von ihrem Profil wiederum oft nicht zu freien Jobs. Für Verkaufsberufe interessieren sich derzeit knapp 14000 Arbeitslose. In dem Bereich gibt es aber nur 546 freie Stellen. Für den Bereich Verkehr und Logistik bewerben sich 10000, doch auch dort gibt es nur 548 Jobs zu vergeben. Dagegen suchen Betriebe im Handwerk oder im Metallbau vergeblich nach Mitarbeitern. "Wir wollen deshalb die Weiterbildungsmöglichkeiten ausbauen", kündigte Senius an. Auch jene, die etwas gelernt haben, was heute nicht mehr gefragt ist, sollen dabei die Chance erhalten, eine Ausbildung mit guten Perspektiven zu machen.

Mehr als 3000 Anrufe zum Mindestlohn

Im Blickpunkt bleibt in nächster Zeit jedoch weiterhin der Mindestlohn. So sind seit Jahresbeginn mehr als 3000 Anrufe von Arbeitnehmern bei der Hotline des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Magdeburg eingegangen. "Wir hatten mit 100 Anrufen pro Tag gerechnet, jetzt sind es 300, teils 400 Anrufe pro Tag", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Dienstag. "Viele sind verunsichert." Nachgefragt werde unter anderem zu Ausnahmen vom Mindestlohn oder zur Frage, wie sich Arbeitnehmer rechtlich gegen zu niedrige Zahlungen wehren können.