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Arbeitgeber treffen Kanzlerin Wirtschaft verärgert über GroKo

Seit bald zehn Jahren ist Angela Merkel Kanzlerin. Zufrieden mit ihrer
Wirtschaftspolitik war die deutsche Wirtschaft nie so recht - doch nun
kulminiert der Ärger. Das ist gefährlich für die Union.

Von Carsten Hoefer 14.03.2015, 01:24

München (dpa) l Die Münchner Handwerksmesse ist kein Ort für Aufstände. Alljährlich präsentieren in den Hallen am Rand der bayerischen Landeshauptstadt solide Mittelständler einem ebenso bodenständigen Publikum Attraktionen aus dem Handwerk - vom innovativen Dachziegel bis zur Tortengala der Konditoren. Und alljährlich trifft dort Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abseits des Messetrubels mehrere Dutzend Verbands- und Unternehmensvertreter zum Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft. Doch dieses Jahr weht vor dem Treffen ein leichter Hauch von Rebellion durch das sterile Kongressgebäude.

Jeden Monat neue Belastungen für Firmen

Der Unmut in der Wirtschaft über die Berliner Politik war schon 2014 stark gestiegen, hauptsächlich ausgelöst durch Mindestlohn, Rente mit 63 und die fehlenden Fortschritte in der Energiewende. "Wir vermissen das langfristige Konzept, eine langfristige Wirtschaftspolitik", sagt BDI-Präsident Ulrich Grillo vor dem Gespräch mit Merkel. Doch nun hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit seinen Plänen zur Reform der Erbschaftsteuer das Fass quasi zum Überlaufen gebracht. "Im Moment ist es so, dass wir quasi monatlich neue Belastungen bekommen", klagt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Deswegen fordert die Wirtschaft nun ein "Belastungsmoratorium".

Mittelständische Unternehmer fürchten, dass ihre Kinder die Familienfirma verkaufen oder zerschlagen müssen, falls sie nach dem Tod der Eltern der Fiskus mit hoher Erbschaftsteuer zur Kasse bittet. Das empfinden viele als ungerechte Zusatzbelastung des Mittelstands. "Die Stimmung in den Unternehmen war noch nie so schlecht", sagt ein Teilnehmer. "Wir verlangen Reformen von allen anderen in Europa, und selber drehen wir das Rad zurück."

Auch der Mindestlohn macht die Mittelständler ärgerlich - und keineswegs nur, weil die Arbeitszeiten der Mitarbeiter peinlich genau aufgeschrieben werden müssen. Ein weiteres Ärgernis sind Kontrollen durch bewaffnete Zöllner, die viele Unternehmer als Kriminalisierung empfinden. Auch das wird im Gespräch mit der Kanzlerin kritisiert.

Die aktuelle Stimmungslage ist politisch gefährlich für CDU und CSU. Handwerk und Mittelstand sind traditionelle Verbündete und Kernklientel für die zwei Parteien. Doch derzeit ist die Entfremdung spürbar. Horst Seehofer und seine CSU haben das zwar aufgenommen und bilden nun koalitionsintern die erste Reihe des Widerstands gegen Schäubles Erbschaftsteuerpläne. Schon im vergangenen Jahr sagte Seehofer, dass nichts mehr beschlossen werden dürfe, was zu Lasten der Arbeitsplätze gehe. Auch Merkel beschäftige sich mit den Themen intensiv, sagt ein Teilnehmer des Münchner Spitzengesprächs.

Doch die wirtschaftspolitische Glaubwürdigkeit der Union war schon vorher angekratzt. Besonders zufrieden mit Merkels Wirtschaftspolitik waren die Spitzenverbände noch nie. Zu Zeiten der schwarz-gelben Koalition pflegten sie sich zu beschweren, dass Union und FDP ihre unternehmerfreundlichen Versprechen nicht umsetzten.

Seit Amtsantritt der Großen Koalition stellen die Unternehmer nun überrascht fest, dass diese den schwarz-roten Koalitionsvertrag bislang punktgenau umsetzt. Doch aus Sicht der Wirtschaft ist die Tatkraft der Großen Koalition ebenso unerfreulich wie das frühere ergebnislose schwarz-gelbe Gezerre - denn umgesetzt werden hauptsächlich SPD-Pläne, die die Wirtschaft ablehnt. Merkel bekundet in München Gesprächsbereitschaft, konkrete Zusagen gibt sie nicht.