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Attacke auf Konzernchef nicht abgestimmt Porsche-Familie distanziert sich von VW-Patriarch Piëch

13.04.2015, 01:24

Wolfsburg l Mit nur einem Satz hat VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch völlig überraschend seinen Konzernchef demontiert: "Ich gehe auf Distanz zu Winterkorn", sagte der 77-jährige Patriarch dem Spiegel. Damit hat Piëch einen heftigen Machtkampf bei Europas größtem Autobauer ausgelöst.

Nicht nur der gescholtene Konzernchef selbst will sich wehren, Ärger bekommt Piëch auch von seiner eigenen Sippe, weil er offenbar im Alleingang gehandelt hat. Wolfgang Porsche ließ am Sonntag erklären, "die Aussage von Herrn Dr. Piëch stellt seine Privatmeinung dar, welche mit der Familie inhaltlich und sachlich nicht abgestimmt ist." Piëch ist der Enkel des legendären Autokonstrukteurs Ferdinand Porsche, die Familien Piëch und Porsche halten die Mehrheit am Volkswagen-Konzern.

Vorstandschef Martin Winterkorn ist bei seinem einstigen Ziehvater Ferdinand Piëch nun wohl deshalb in Ungnade gefallen, weil die Marke Volkswagen nur wenig Rendite abwirft und das US-Geschäft schlecht läuft. Schon im vergangenen Jahr hatte Piëch auf die Frage, ob er den Konzern auf einem guten Weg sehe, geantwortet: "Nicht wirklich."

Wie es an der Spitze des Konzerns nun weitergeht, ist völlig offen. Winterkorns Vertrag läuft Ende nächsten Jahres aus. Ursprünglich sollte der 67-Jährige sogar Piëch im Aufsichtsrat ablösen, nun droht ihm eher das vorzeitige Karriere-Ende bei VW. Laut der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" will Winterkorn zwar kämpfen. Er wolle sich nicht vom Hof jagen lassen, wird kolportiert. Doch in der Vergangenheit hat Piëch, der den Volkswagen-Konzern als sein Lebenswerk betrachtet, seinen Willen stets durchgesetzt. Ex-VW-Chef Bernd Pischetsrieder servierte Piëch 2006 ab, in dem er erklärte, er kenne kein deutsches Unternehmen, in dem jemand an der Spitze überlebe, wenn er im Aufsichtsrat die Hälfte der Stimmen gegen sich hat. Im Jahr 2009 sagte Piëch auf die Frage, ob der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sein Vertrauen genieße: "Zurzeit noch. Streichen Sie das `noch`!"

Bei der Personalie Winterkorn bekommt Piëch nun jedoch stärkeren Gegenwind, sowohl von Wolfgang Porsche als auch von der VW-Belegschaft und dem Land Niedersachsen. "Ich bin unangenehm überrascht über die zitierten Aussagen von Herrn Professor Piëch", sagte Regierungschef Stephan Weil (SPD). "Ich halte eine öffentliche Diskussion über die Spitzen von VW für schädlich." Weil sitzt im Aufsichtsrat, da das Land Anteilseigner beim Konzern ist. Der einflussreiche VW-Betriebsratschef und Aufsichtsrat Bernd Osterloh erklärte, "Wir haben eine klare Haltung, an der sich nichts geändert hat: Wir haben mit Dr. Winterkorn den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord." Der Betriebsrat mache eine Personaldebatte nicht mit.

Doch das dürfte nun schwierig werden. Im Spiegel kündigte Piëch an: "Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen." Die Kandidaten dafür seien bereits im Unternehmen. Für eine Abberufung Winterkorns durch den Aufsichtsrat müsste sich dieser laut Aktiengesetz eine "grobe Pflichtverletzung" zuschulden kommen lassen oder "unfähig zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung" sein.

Das Mitbestimmungsgesetz regelt zudem, dass für sein Aus eine Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat nötig ist. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), ebenfalls Mitglied im VW-Aufsichtsrat, sagte, er sehe der Ankündigung Piëchs auch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat "sehr gelassen" entgegen.

Da der Vertrag Winterkorns jedoch ausläuft und auch Piëchs Ära im Aufsichtsrat 2017 endet, droht dem Konzern trotzdem eine Führungskrise. Selbst VW-Betriebsratschef Osterloh hatte schon danach gefragt, was danach kommt. Nicht alles lasse sich von Wolfsburg aus steuern, sagte er. VW hat etwa 600000 Beschäftigte, davon fast die Hälfte in Deutschland. 2014 erwirtschaftete der Konzern mit 120 Werken weltweit einen Umsatz von 202 Milliarden Euro. Die Auslieferungen lagen bei 10,14 Millionen Fahrzeugen, der Gewinn nach Steuern bei 10,8 Milliarden Euro. (mit dpa)