Milliardenprogramm der Regierung Immer weniger Lehrstellen

Bessere Brücken in die betriebliche Ausbildung will die Bundesregierung mit einem Milliardenprogramm bauen. Denn nach wie vor gibt es Probleme beim Übergang von der Schule in eine Lehre, wie der neue Berufsbildungsbericht zeigt.

16.04.2015, 01:19

Berlin/Wiesbaden (dpa/AFP) l Mit einem 1,3 Milliarden Euro umfassenden Förderprogramm für den Berufseinstieg will die Bundesregierung der betrieblichen Ausbildung in Deutschland auf die Sprünge helfen. Der am Mittwoch im Kabinett verabschiedete Berufsbildungsbericht 2015 zeigt den Handlungsbedarf ebenso auf wie die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Demnach ging die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Vorjahr abermals zurück - je nach Berechnung auf gut 518000 oder 522000 (minus 1,4 Prozent).

Zugleich wurde mit 37100 unbesetzten betrieblichen Lehrstellen im vorigen Ausbildungsjahr (1. Oktober 2013 bis 30. September 2014) ein Höchststand erreicht, während die Zahl unversorgter Bewerber leicht auf 20900 sank, wie Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) in Berlin berichtete. Daraus ergebe sich "eine leicht verbesserte Lage auf dem Ausbildungsmarkt". Die Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, sei derzeit "so hoch wie noch nie", so Wanka. Dennoch sei es weiterhin schwierig, das richtige Angebot für einen Bewerber zu finden.

Rechnerisch standen 100 ausbildungswilligen Jugendlichen 103 Lehrstellenangebote gegenüber. Mit 7,4 Prozent habe Deutschland "die mit Abstand niedrigste Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich mit anderen Staaten der Europäischen Union".

Hauptschüler haben immer noch schlechte Chancen

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) räumte ein, es gebe "trotz demografischen Wandels weiterhin Probleme beim Übergang von der Schule in den Beruf". Hauptschüler hätten immer noch oft keine Chance auf eine Lehrstelle. Deshalb biete die Regierung mit ihren Programmen auch kleineren Betrieben ein Coaching für den Umgang mit solchen Bewerbern an. Und: "Mit der Berufseinstiegsbegleitung etwa greifen wir jungen Menschen schon während der Schlussphase ihrer Schulausbildung unter die Arme, um sie so schneller, zielgerichtet und dauerhaft in betriebliche Ausbildung zu bringen", sagte Nahles. Bis 2018 sollen damit 500 000 junge Leute erreicht werden.

Ende 2014 hatte die Bundesregierung mit Ländern, Wirtschaft, Gewerkschaften und Bundesagentur für Arbeit die "Allianz für Aus- und Weiterbildung 2015-2018" geschlossen, um die zentrale Bedeutung der dualen Berufsbildung für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu unterstreichen. Die gut 1,3 Milliarden Euro der beiden Ressorts für den Einstieg ins duale Ausbildungssystem seien "frisches Geld", betonten beide Ministerinnen. "Wir setzen damit auf Prävention statt Reparatur", sagte Wanka.

Unter der dualen Ausbildung in Deutschland versteht man die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule oder an einer Berufsakademie. Inzwischen gibt es vor allem bei Abiturienten große Motivationsprobleme - von ihnen nimmt pro Jahrgang gut die Hälfte lieber ein Studium auf. Ministerin Wanka betonte daher "die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung". Die Zahl der Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren ohne jeden Berufsabschluss ging zuletzt weiter zurück - von 14,9 (2008) auf 13,1 Prozent (2012).

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Mittwoch sank die Zahl der Ausbildungsverträge 2014 gegenüber dem Vorjahr sogar auf 518 400 (minus 7500). Hier beobachteten die Statistiker nicht das Ausbildungs-, sondern das Kalenderjahr, und letztlich nicht angetretene Ausbildungsverträge wurden auch nicht mitgezählt.

Offene Stellen stehen längst nicht allen offen

Die Quote der Ausbildungsbetriebe lag laut Berufsbildungsbericht 2014 mit 20,7 Prozent auf dem tiefsten Wert seit 1999. Wanka und Nahles appellierten daher an die Firmen, auch vor dem Hintergrund der absehbaren demografischen Entwicklung nicht in ihren Ausbildungsanstrengungen nachzulassen und auch leistungsschwächere Schüler in den Blick zu nehmen.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack kritisierte: "Mehr Jugendliche gehen bei der Suche nach einer Ausbildung leer aus, während gleichzeitig die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt." Insgesamt seien 2014 fast 10000 Ausbildungsbetriebe verloren gegangen. Die gut 37000 offenen Lehrstellen stünden "längst nicht allen Jugendlichen offen". Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Hubertus Heil, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist nicht zu akzeptieren, dass Ausbildungssuchende mit schwachen Schulabschlüssen keine Chance auf dem Ausbildungsmarkt bekommen und somit viele Plätze unbesetzt bleiben."