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Volkswagen Winterkorn schwimmt sich frei

Martin Winterkorn hat sich bei der Hauptversammlung von Volkswagen sichtlich gelöst präsentiert. Nach dem Machtkampf mit Patriarch Piëch will sich der VW-Chef wieder um die Konzern-Geschäfte kümmern und beschwört den "Teamgeist". Einige Fragen bleiben aber offen.

06.05.2015, 01:25

Hannover l Martin Winterkorn kann wieder lachen. Bereits vor Beginn der Hauptversammlung schlenderte der VW-Chef mit den Aufsichtsräten Wolfgang Porsche und Stephan Weil (SPD) über das Messegelände in Hannover, bestaunte mit ihnen die neuesten Modelle des Konzerns, die in einer der Hallen für die Aktionäre ausgestellt wurden. Nicht dabei: Ferdinand Piëch. Der Patriarch blieb der Versammlung fern.

"Hinter uns liegen - vorsichtig gesagt - bewegte Tage", sagte Winterkorn wenig später vor den Aktionären. Und meinte damit den Machtkampf zwischen ihm und Piëch, der den Rücktritt des Patriarchen von seinem Posten als Aufsichtsratschef nach sich zog. "Mir ist es wichtig, an dieser Stelle Herrn Piëch zu danken - im Namen aller 600.000 Mitarbeiter, aber auch persönlich", so Winterkorn.

Volkswagen-Aufsichtsrat lässt sich mit Personalfragen Zeit

Piëch habe die Automobilindustrie geprägt wie kein Zweiter, "als Unternehmer, Ingenieur, als mutiger Visionär". Die warmen Worte kamen bei den Aktionären an, der VW-Chef erntete Applaus. Und ging zugleich in die Offensive: "Es ist gut, dass wir wieder in ruhigerem Fahrwasser unterwegs sind, dass wir Klarheit haben über den weiteren Kurs." Doch ist der wirklich so klar?

Der Aufsichtsrat will sich Zeit lassen, einen neuen Chef-Aufseher zu bestimmen. "Wir wollen die Diskussion mit angemessener Ruhe führen", erklärte Ex-Gewerkschaftsboss Berthold Huber, der kommissarisch die Leitung des Gremiums übernommen hat und am Dienstag auch die Hauptversammlung leitete.

Offen blieb zudem die Zukunft Winterkorns. Zwar will der Aufsichtsrat offiziell seinen Vertrag im Februar 2016 verlängern, doch der VW-Chef ist bereits 67 Jahre alt und gilt auch als Kandidat für den Aufsichtsrat. Winterkorn selbst betonte, "Volkswagen steht auch in Zukunft für Teamgeist". Es gehe nun darum, sich voll auf das Geschäft zu konzentrieren.

Volkswagen soll fünf Milliarden Euro einsparen

Und hier setzte der VW-Chef in seiner Rede Akzente: "Es gab in den letzten Wochen unzählige Interpretationen, Spekulationen und leider auch Übertreibungen", sagte er. Dabei sei Volkswagen ein "kerngesundes, gut aufgestelltes Unternehmen." Winterkorn verwies hierbei auf den Rekordumsatz von 200 Milliarden Euro und den Gewinn von 12,7 Milliarden Euro. Der VW-Chef ging allerdings dann selbst dazu über, Maßnahmen vorzustellen, mit denen der Konzern seine wirtschaftlichen Probleme in den Griff bekommen will.

Auf dem US-Markt möchte VW mit einem neuen Midsize-SUV wieder Fuß fassen. Der mittelgroße Geländewagen soll ab Ende 2016 im amerikanischen Chattanooga vom Band rollen. 2017 folgt ein Tiguan mit verlängertem Radstand. Darüber hinaus kündigte Winterkorn an, dass alle Modelle für den US-Markt künftig in kürzeren Abständen überarbeitet werden sollen. Amerikaner kaufen im Gegensatz zu Europäern nur ungern Autos, die bereits länger als zwei Jahre auf dem Markt erhältlich sind.

Die Gewinnschwäche bei der Kernmarke Volkswagen will Winterkorn mit dem bereits laufenden Sparprogramm beheben, etwa durch eine effizientere Produktion. Bis 2017 sollen fünf Milliarden Euro eingespart werden, die Rendite auf sechs Prozent steigen. Derzeit liegt sie nur bei 2,5 Prozent. "Wir rechnen damit, dass deutlich über eine Milliarde Euro davon bereits im laufenden Jahr ergebniswirksam wird", betonte Winterkorn.

Wertpapierschützer übt Kritik an Berthold Huber

Vorankommen will der VW-Chef auch bei der Entwicklung eines Billigautos für die asiatischen Märkte: "Wir nehmen uns dafür aber die Zeit, die wir brauchen." Es gehe dem Konzern nicht allein um zusätzliche Verkäufe, das "Budget Car" müsse auch Gewinne abwerfen.

Insgesamt lieferte der VW-Chef eine selbstbewusste Vorstellung, die die Aktionäre goutierten. Ein Sturm der Entrüstung über den Machtkampf blieb aus, viele Anteilseigner lobten die Arbeit Winterkorns, bedauerten zugleich den Abgang Piëchs. Lediglich vereinzelt gab es Kritik: "Der Machtkampf ist schrecklich unprofessionell gewesen", rügte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker.

Er gehörte auch zu den wenigen, die sich am Versammlungsleiter aus den Reihen der IG Metall störten: "Sie müssen verstehen, dass ich da ein wenig schlucke", sagte Hocker zu Berthold Huber. Der blieb jedoch ruhig und blockte auch weitere Fragen zu den Hintergründen des Machtkampfes ab - ganz im Sinne der Familien Porsche und Piëch. Meinung