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Fachleute sind über anhaltendes "Jobwunder" erstaunt / Verschnaufpause für 2012 erwartet Gute Auftragslage hält Arbeitsmarkt stabil

Von Klaus Tscharnke 17.12.2011, 04:22

Das Jahr 2011 hat noch einmal einen kräftigen Rückgang der Arbeitslosigkeit gebracht. 2012 dürfte das deutsche Jobwunder aber erst mal eine Verschnaufpause einlegen.

Nürnberg (dpa) l Er war mal wieder für eine Überraschung gut: Während die Börsenkurse Achterbahn fuhren und die EU-Schuldenkrise Anleger ins Schwitzen brachte, präsentierte sich der deutsche Arbeitsmarkt im Jahr 2011 erstaunlich krisenfest.

Wenn die Bundesagentur für Arbeit (BA) Anfang Januar ihre Schlussbilanz für das abgelaufene Jahr vorlegt, werden nach jüngsten Berechnungen im Jahresschnitt 2,972 Millionen arbeitslos gewesen sein - knapp 270000 weniger als noch im Jahr davor. Nur wenige Fachleute hatten dem Arbeitsmarkt nach der deutlich gedämpfteren Entwicklung im Jahr 2010 noch einmal ein solches Aufschwungtempo zugetraut.

Noch mehr aber verblüfft manche Fachleute die Ausdauer des "Jobwunders": Mit Ausnahme des Krisenjahrs 2009 geht die Arbeitslosigkeit seit dem Start der Harz-IV-Reform im Jahr 2005 beständig zurück. Die durchschnittliche Jahresarbeitslosigkeit hat sich seitdem um fast 40 Prozent verringert. Die Erwerbslosenzahlen in Deutschland scheinen seit Jahren nur noch eine Richtung zu kennen: abwärts.

Für Experten ist der anhaltende Job-Boom unterdessen ein weiterer Beleg für die Stabilität der Realwirtschaft: Die Uhren in Produktionsunternehmen und Dienstleistern tickten anscheinend völlig anders, als es die Kursverläufe der Börsen glauben machen. Vor allem der starke Export garantierte Firmen volle Auftragsbücher. Die Folge: Selbst in Hoch-Zeiten der Eurokrise suchten viele Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften; allein im November hatte die Bundesagentur 492000 freie Stellen in ihren Jobbörsen - 98 000 mehr als vor einem Jahr.

Viele Unternehmer treibt zudem die Sorge um, demnächst vor einem leergefegten Arbeitsmarkt zu stehen. Selbst bei leichten Auftragsdellen trennen sich Unternehmen - anders als in früheren Konjunkturflauten - inzwischen nicht mehr so leicht von erfahrenen Mitarbeitern.

Die Furcht ist nicht unbegründet: Selbst bei optimistischer Betrachtung und rund 100000 ausländischen Zuwanderern pro Jahr werden nach einer Prognose des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bis zum Jahr 2025 rund 2,7 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Der Grund ist die zunehmende Überalterung der deutschen Gesellschaft.

Im Jahr 2012 dürfte es allerdings mit der bisherigen Rasanz auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr weitergehen. Das IAB, die Denkfabrik der Bundesagentur, rechnet bei deutlich schwächerem Wirtschaftswachstum von einem Prozent nur noch mit einem Rückgang der durchschnittlichen Jahresarbeitslosigkeit um rund 50000 auf 2,92 Millionen.

Aber auch dieser schon vergleichsweise niedrige Rückgang ergibt sich nach Darstellung von Arbeitsmarktforscherin Sabine Klinger allein aus der geringen Arbeitslosigkeit zum Jahres- beginn 2012. Im weiteren Verlauf des Jahres 2011 rechnet Klinger eher mit einer Stagnation auf dem Arbeitsmarkt.

"Ich sehe schon, dass es in der ersten Jahreshälfte 2012 zu einer leichten Rezession kommt. Dass das auch der Arbeitsmarkt abbekommt, ist klar."

Volkswirt Stephan Schneider, Deutsche Bank

Das deckt sich weitgehend mit den Arbeitsmarktprognosen von Volkswirten deutscher Großanken. Stephan Schneider von der Deutschen Bank etwa schließt für den einen oder anderen Monat sogar einen Anstieg der saisonbereinigten Arbeitslosigkeit nicht aus: "Ich sehe schon, dass es in der ersten Jahreshälfte 2012 zu einer leichten Rezession kommt. Dass das auch der Arbeitsmarkt abbekommt, ist klar", schätzt er.

Etwas optimistischer gibt sich Allianz-Volkswirt Rolf Schneider. Er erwartet schon für die zweite Jahreshälfte 2012 eine Beruhigung der Lage in der Wirtschaft und auf dem deutschen Arbeitsmarkt: "Insgesamt dürften sich die Turbulenzen um die europäische Schuldenkrise langsam abflachen und die Weltkonjunktur wieder mehr Rückenwind bekommen", betonte Schneider.