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Angebote zur Berufsorientierung in Magdeburg stark genutzt Handwerk bietet weit mehr als nur "bohren, feilen, sägen"

Von Rainer Lampe 06.09.2010, 04:20

Es war ein Zufall, dass am Sonnabend keine fünf Kilometer entfernt gleich zwei Messen zur Berufsorientierung nach Magdeburg einluden: eine vom Handwerk organisiert, die andere vorrangig von Industrie und Hochschulen genutzt. Der starke Andrang bei beiden Messen spricht allerdings klar für einen Glücksfall.

Magdeburg. Vorm Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer Magdeburg ist ein großer Parkplatz. Kurz nach zehn am Sonnabend war er bereits total besetzt. Handwerkerpräsident Werner Vesterling bedauerte bei der offiziellen Messe-Eröffnung bei Regen im Park, dass die Jugendlichen noch fehlten. Doch die waren längst dort, wo sie Vesterling und seine Mitstreiter hinhaben wollten: Bei den 45 Ausstellern informierten sie sich über die 151 Berufe, die das Handwerk bietet.

Maler, Frisör, Klempner, Tischler, Elektromonteur, Kfz-Mechaniker, Augenoptiker, Zahntechniker, Gebäuderei-niger, Bäcker – einige Berufszweige, die jeder dem Handwerk zurechnet. Aber wer weiß schon vom Elektroanlagenbauer, vom Schweißer und anderen Berufen, die eher als rein industriell eingestuft werden? Da bot der Tag bei den Handwerkern viel Überraschendes.

Vor allem ließ er staunen, wie modern das Handwerk arbeitet, zumindest bei der Ausbildung. Ein CNC-Bearbeitungszentrum bei den Tischlern, ein computergesteuerter Schweiß-Simulator, modernste Elektronik bei den Anlagenbauern – Handwerk ist längst mehr als sägen, bohren, feilen, streichen, hobeln.

Christian Fengler kam aus Wernigerode zur Messe. Der Gymnasiast liebäugelt mit einem dualen Studium – Ausbildung zum Facharbeiter im Handwerk, gekoppelt mit einem Bachelor-Studium an der Magdeburger Uni. Er wollte sehen, wie sehr sich seine Erwartungen mit der Realität decken.

Kultusministerin Birgitta Wolff und Wirtschaftsminister Reiner Haseloff freuten sich über lobende Worte zur Förderung der Berufsorientierung und –ausbildung im Land. Aber dann kamen gleich die alten und immer wieder neuen Klagen: Das Wissen und Können vieler Schulabgänger reicht nicht für eine Facharbeiter-Ausbildung.

So berechtigt die Klagen sind – anzuerkennen ist auch, dass beide Seiten, Handwerk und Politik, in den letzten Jahren engagiert bemüht waren, die Schere Schule-Wirtschaft zu schließen. Allein im Berufsbildungszentrum des Handwerks sind jährlich 300 Schüler der 8. und 9. Klassen zu einem einwöchigen, praxisnahen berufsorientierenden Praktikum, stark gefördert von Land und Bund. Und so verständlich der Blick auf einen guten Schulabschluss auch sein mag – Noten sind nicht immer alles. Auf der Hauptschule war Sven Ott aus Burg kein Krösus, die Noten waren mies, "ich war faul", sagt er heute. Lehrbeginn als Koch, Unternehmen pleite, zwei berufsvorbereitende Jahre mit Orientierung auf Hauswirtschafter, Startversuch bei Zehm in Burg, einem der größten Gebäudereiniger der Region. "Kriegst du das hin?", fragte der Chef.

Ott wurde einer seiner besten Lehrlinge, holte seinen erweiterten Realschulabschluss nach, sogar das Fachabitur, jetzt ist er 24, stolzer Vater, kann sich Reinigungstechniker nennen und ist damit studienreif. "Nix mehr mit Faulheit, ich mach was aus meinem Leben."

Gut zu wissen, wie interessiert die Angebote zur Berufsorientierung von Schülern, Lehrern, Eltern genutzt werden. Nächste Gelegenheit ist spätestens in drei Wochen, auf der Kickstart-Messe "Perspektiven" in Magdeburg.