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In Hohenwarthe-Siedlung kämpfen die Menschen mit den Auswirkungen der Katastrophe vom Sonntag Schlimme Flut: Wie sich eine Straße in Wasser auflöste

Von Falk Heidel 11.06.2013, 03:22

Eine Siedlung rückt zusammen. Nach der Katastrophe vom Sonntag an der Kanal-Schleuse bei Niegripp kämpfen die Menschen unter anderem in der Siedlung Hohenwarthe mit den Flutschäden. Die Wassermassen hatten einen 50 Meter langen Straßenabschnitt mitgerissen. Einige Keller sind vollgelaufen.

Hohenwarthe-Siedlung l "Reich mir mal den 24er Maulschlüssel." Dennis Fippl und Sven Schulz stehen in einem mannhohen Loch, schrauben an stattlichen Wasserrohren herum. Oben am Straßenrand reicht ihnen André Bellach aus Möckern das gewünschte Werkzeug. Die Fachleute von der Heidewasser GmbH schließen einen Schieber an der Trinkwasserleitung: "Wenn wir am späten Nachmittag fertig sind, haben die Leute hier wieder Trinkwasser", erklärt Bellach. Auch Praktikant Andreas Rosteck packt mit zu. Der junge Mann aus Rostock hat sich für sein Praktikum genau die richtige Zeit ausgesucht: "Mehr kann man nicht lernen."

Als die Wassermassen der Elbe am Sonntag ein gewaltiges Stück Böschung inklusive Fahrbahn mitgerissen hatten, war die Trinkwasserleitung geborsten. Das spürten die allermeisten Haushalte der Region, weil der Druck in der Leitung massiv abgefallen war.

Während sich die Monteure an der 20 Zentimeter starken Wasserleitung zu schaffen machten, hatten die Einwohner und Helfer in Hohenwarthe-Siedlung einen ganz anderen Bezug zum Thema Wasser: "Es ist beeindruckend, wie schnell am Sonntag viele junge Menschen nach der Katastrophe herkamen um zu helfen", erzählt Feuerwehrmann Uwe Quasdorf. Wie viele seiner Kollegen hatte er miterlebt, wie das Elbe-Wasser sich mit Urgewalten einen neuen Weg in Richtung Kanal suchte. Die Böschung rutschte ab und nahm einen Teil der Straße gleich mit. Die Fahrbahn glich einer riesigen schwarzen Tafel Schokolade, die in kleine Stücke zerbrochen wurde. Uwe Quasdorf: "Diesen Anblick vergisst du nie mehr."

Gerstern Nachmittag kamen die Bundeswehr-Hubschrauber mit den riesigen Sandsäcken, auch Big Packs genannt: "Damit soll der Abfluss des Elbwassers zum Elbe-Havel-Kanal unterbunden werden", sagte Friedrich Koop. Er ist Leiter des Magdeburger Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts.

In Minutenschnelle hatte sich die Elbe ein neues Flussbett geschaffen, wo vorher Wald und Wiese war. Koop: "Wenn diese Badewanne überläuft, ist sogar die Stadt Burg in Gefahr." Am Sonntag gab es einen gigantischen Zufluss aus der Elbe von etwa 150 Kubikmetern pro Sekunde.

Gestern wurde Wasser laut Koop über Pumpsysteme wieder abgeführt: Mit etwa zehn Kubikmetern pro Sekunde in den Mittellandkanal und mit der doppelten Intensität in Richtung Havel.

Eine sehr viel kleinere Pumpe nutzten einige Hausbesitzer, deren Keller vollgelaufen waren. Gerade so davongekommen war Enrico Herrmann. Er hatte mit Sohn Peer Ziegler und Freunden im Garten ruckzuck einen schmalen Graben geschippt, um das Drängwasser abzuleiten. Mit Erfolg. Dann brach die Böschung an der Straße. Zuvor waren die Kiesseen in ganz kurzer Zeit vollgelaufen. "Ich kann nicht verstehen, warum niemand uns Anwohner gewarnt hat", beklagt Enrico Herrmann. Und Peer Ziegler fragt: "Warum gab es bis zur Katastrophe hier so wenige Sandsäcke? Sind andere Regionen wichtiger als wir?"

Mittagszeit: Feuerwehrleute bringen zwei riesige Kochgefäße plus großer Alukelle. Es gibt Erbsensuppe mit Bockwurst. Schnell bildet sich eine kleine Schlange vor der provisorischen Ausgabe an einer Garage: "Die Verpflegung funktionierte bisher einwandfrei", sagte Feuerwehrmann Quasdorf. Er gehört zu den Leuten, die seit Mittwoch quasi im Dauereinsatz sind. Erst beim Deichbau in Lostau, jetzt hier: "Ich schlafe maximal drei, vier Stunden. Danach stehe ich wieder auf, weil ich viel zu unruhig bin."

Während des Essens wird intensiv diskutiert. Manchmal ist die Grenze fließend zwischen Fakten und Gerüchten. Beispiel: "Wir haben gehört, dass ein Deich absichtlich geöffnet wurde."

Dies bestätigte Schifffahrtsamtsleiter Friedrich Koop auf Volksstimme-Nachfrage: "Es gab am Freitag tatsächlich einen Versuch, auf diese Weise für Entlastung zu sorgen. Der stellte sich als untauglich heraus und wurde verworfen, der Deichabschnitt wieder geschlossen." Koop sagt: "Dies war jedoch nicht die Ursache für die Katastrophe am Sonntag."

Und wieder bringt ein Bundeswehr-Hubschrauber einen riesigen Sandsack in das Flutgebiet. "Wir sind optimistisch, dass diese Aktion erfolgreich sein wird", sagt Amtsleiter Koop. Optimistisch sind die Menschen hier nach wie vor. Sie haben spätestens am Sonntag gelernt, dass sie sich aufein-ander verlassen können.