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Ärztenot im Jerichower Land Junge Mediziner wollen nicht aufs Land

Die vielen Hausbesuche, das breite Fachwissen, der schlechte Ruf unter
den Medizinern, die fehlende Anonymität - darum finden die 50 Hausärzte
im Kreis keine jungen Nachfolger. Sachsen-Anhalts Kassenärztliche
Vereinigung will mit einem Stipendienprogramm die Jugend aufs Land
holen.

Von Franziska Ellrich 01.02.2014, 02:15

Loburg l Wenn Valerie Wolfram das Wort "toxisch" benutzt, meint sie damit nervig - so wie es sich unter Medizinstudenten gehört. Die 31-Jährige will Allgemeinmedizinerin werden. Diesen Wunsch haben nicht viele an ihrer Uni in Magdeburg. Und das spiegelt sich in den Praxen im Jerichower Land wieder. Knapp die Hälfte der 50 Hausärzte sind älter als 55 Jahre. Die Nachwuchssuche gestaltet sich schwierig.

"Die Hausärzte haben einen schlechten Ruf", erklärt Valerie Wolfram. Der Hausarzt muss die Blinddarmentzündung erkennen - aber er operiert ihn nicht heraus. "Doch zur Nachsorge steht der Patient wieder in der Hausarztpraxis und freut sich über ein Gesicht, dass er kennt - nicht so wie im Krankenhaus", so die Studentin.

Die Psychologie spiele eine wichtige Rolle bei der Arbeit als Allgemeinmediziner. Und genau das schreckt ab. "Ich finde den engen Kontakt mit den Patienten toll, man kennt die Vorgeschichte und kann die Probleme ganzheitlich einordnen", erklärt Wolfram. Und einige müssen sich eben auch mal ihre Sorgen von der Seele reden. "Ich will wissen, wie es den Patienten geht und höre auch gern mal zu."

"Ich finde das gut, weil ich ein Landei bin." - Valerie Wolfram (31), Medizinstudentin

Zurzeit hört Valerie Wolfram den Loburgern zu. Einen Teil ihres praktischen Jahres absolviert sie nämlich in der Praxis der Allgemeinmedizinerin Dr. Kirke von Wulffen. 35 Kilometer entfernt von ihrer Wohnung in Magdeburg, der nächsten größeren Stadt mit Möglichkeiten zum Shoppen und Ausgehen. Valerie Wolfram macht das nichts aus. "Ich bin ein Landei."

Sie kann sich die Arbeit in einer Praxis auf dem Land gut vorstellen. Aus diesem Grund ist Valerie Wolfram auch Stipendiatin der Kassenärztlichen Vereinigung. Die unterstützt die Medizinerin finanziell während des Studiums. Dafür soll die Magdeburgerin nach ihrem Abschluss mindestens so viele Jahre, wie sie gefördert wurde, auch in einer ländlichen Region Sachsen-Anhalts mit ungedecktem Versorgungsbedarf arbeiten.

Was das bedeutet, weiß Kirke von Wulffen. Mehrmals die Woche verlässt die 53-Jährige ihre Loburger Praxis für Hausbesuche. "20 Kilometer zu einem Patienten zu fahren, ist normal." Friedensau, Magdeburgerforth, Walternienburg - von Wulffens Einzugsbereich ist groß. Trotzdem arbeitet sie gern als Landärztin. "Man muss viele Bereiche abdecken können, der nächste Facharzt ist oft weit weg", erklärt Allgemeinmedizinerin von Wulffen.

"Die jungen Mediziner sind verweichlicht." - Dr. Hanns Kray (70), Allgemeinmediziner

Was den Landarzt noch von dem in der Großstadt unterscheidet? "Man kann sich der Medizin selten entziehen, die Patienten stehen im Notfall auch mal vor der Haustür", weiß Kirke von Wulffen aus Erfahrung. Auch davor hat ihre derzeitige Studentin keine Angst. Valerie Wolfram hat bisher noch nie an dem Ort gewohnt, an dem sie gearbeitet hat. "Das kann bestimmt nervenaufreibend sein, aber es kommt darauf an, was man daraus macht."

An der Haustür von Dr. Hanns Kray klopfen noch heute ehemalige Patienten an. Der 70-Jährige hat im Dezember nach 40 Jahren seine Hausarztpraxis in Gommern aufgegeben. "Ich habe schon vor fünf Jahren Chefärzte in der gesamten Region angeschrieben, um einen Nachfolger zu finden." Doch keiner wollte seinen großen Patientenstamm sowie die ausgestattete Praxis übernehmen - die wird jetzt vom Medizinischen Versorgungszentrum mitgenutzt. "Ich habe das Gefühl die jungen Mediziner sind verweichlicht, zu bequem." Eine 50-Stunden-Woche und 150 Hausbesuche im Monat würden eben zum spannenden Leben eines Landarztes gehören.