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Naturschutz Wenn ein Baum zur Zeitbombe wird

Gerade noch ist die Kiefer am weitesten verbreitet in der Region. Doch
schon bald wird sie von der Spätblühenden Traubenkirsche überholt. Aus
Amerika importiert, breitet sich der Baum rasant und unaufhaltsam aus -
zum Nachteil von Tier und Förster. Der Bundesforstbetrieb hat jetzt eine
Waffe gefunden: Die Buche.

Von Franziska Ellrich 30.07.2014, 03:13

Altengrabow l Rainer Aumann, der Direktor vom Bundesforstbetrieb Nördliches Sachsen-Anhalt, spricht von einem Wettkampf. "Den die Buche gewinnen muss." Wer höher wächst, nimmt dem anderen das Licht und siegt. Eins zu Null für die Buche. Ihr härtester Gegner: Die Spätblühende Traubenkirsche.

Vor 400 Jahren aus Nordamerika importiert, hat sich der Baum zu einer Plage entwickelt. Die Traubenkirsche breitet sich rasant aus. Oftmals dramatisch. Denn dabei behindert sie die Erhaltung der einheimischen Bäume - junge Kiefern können unter den dunklen Blättern nicht wachsen. Dazu bietet die Traubenkirsche nur wenigen einheimischen Tierarten einen Lebensraum. "Es gibt einfach kaum symbiotische Beziehungen, die über Jahrhunderte hinweg wachsen konnten", erklärt Aumann.

Was dem Bundesforstdirektor besonders zu schaffen macht: Die Gehölzart behindert die Erhaltung der baumarmen Landschaften - wie die Heide auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow. Auf der einst offenen Heidefläche wächst längst alle paar Meter ein dunkelgrüner Strauch in die Höhe: Die Spätblühende Traubenkirsche. Alles begann vor dem Zweiten Weltkrieg. In einem Pflanzenkamp am Rande des Platzes wurde die Traubenkirsche auf fünf Hektar Größe angezogen. Das Ziel: Die Anlage von Waldbrandriegeln an Panzerstraßen - die Traubenkirsche als brandhemmender Baum.

Aus fünf Hektar sind heute allerdings 4000 Hektar Verbreitungsgebiet auf dem Truppenübungsplatz geworden. Alle zehn Jahre verdoppele sich die Zahl der Traubenkirschen, rechnet Aumann vor. Aus Erfahrung weiß der Bundesforst-Direktor: "Auch Waldflächen anderen Orts sind von der Spätblühenden Traubenkirsche durchseucht."

Das Problem: Die zahlreichen Früchte werden von Vögeln und Säugetieren gefressen, und wieder ausgeschieden. Die Samen können bis nach 30 Jahren Lagerruhe noch im Boden auskeimen. Zum Vergleich: Die meisten Samen schaffen höchstens einen Winter. "Man wird dieser Geschichte einfach nicht Herr", sagt Rainer Aumann.

Eine hartnäckige Baumart

Den Baum absägen ist keine Option. Dann sprießen mehr als 20 neue Zweige aus dem Stumpf. Bäume ausreißen funktioniert auch nicht. Die restlichen Teile der Wurzel finden unterirdisch wieder zusammen und die Traubenkirsche wächst wieder. Hilft sonst das Wild junge Bäume zu verbeißen, funktioniert auch das nicht bei der Traubenkirsche. Der Grund: Zu bitter.

Diese hartnäckigen Eigenschaften machen die Spätblühende Traubenkirsche zum Thema von Forschungsarbeiten und Studien. Im Berliner Stadtforst wird zum Beispiel der violette Knorpelschichtpilz zur Bekämpfung getestet. Mit Erfolg. Doch keine Option für den Bundesforstbetrieb. "Der Pilz ist problematisch, da er auch Obstbäume befällt", erklärt Aumann. Auch chemische Behandlungen kommen für ihn nur in Ausnahmfällen in Frage. "Der flächendecke Einsatz von Chemie ist aus ökologischen Gründen gar nicht möglich."

Die Lösung des Forstbetriebes: Buchen und Douglasien in den Kieferwäldern einpflanzen. Die Arten werden höher und können das Licht nehmen. Ein Aufwand mit Aussicht auf Erfolg - in 60 bis 70 Jahren.