Was muss ein Ersthelfer können? Andy Martius vom Deutschen Roten Kreuz im Interview Trösten kann jeder

10.02.2015, 01:35

Das Szenario: Ein Unfall auf der Autobahn. Menschen liegen verletzt auf der Straße. Keiner hält an, steigt aus, hilft. Genauso ist es vergangene Woche auf der A 2 passiert. Wie einfach und vor allem wichtig Erste Hilfe sein kann, erklärt Andy Martius vom Regionalverband Magdeburg-Jerichower Land des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Volksstimme-Interview mit Reporterin Franziska Ellrich.

Volksstimme: Direkt vor meinen Augen stürzt eine ältere Dame zu Boden oder ein Auto rast in den Straßengraben. Ich bin geschockt, fühle mich hilflos. Was ist jetzt die beste Reaktion?

Andy Martius: Ich selbst erwarte ja auch, dass mir oder meinen Liebsten jemand hilft, wenn sie sich verletzen. Damit gibt es gar keine Frage, rechtlich sowieso nicht, wie ich in so einer Situation reagiere: Ich helfe. Und gerade die Erste Hilfe kann so simpel, aber dafür umso wichtiger sein.

So simpel? Warum hat man dann so einen großen Respekt davor?

Viele haben Angst, etwas falsch zu machen. Dabei sagt einem oft das Bauchgefühl, was jetzt am besten getan werden muss. Zum Beispiel wird jemand, der sich den Arm gebrochen hat, ihn von sich aus in einer Schon-Stellung halten und ich unterstütze das mit einem Verband.

Bevor wir zum Verbinden kommen. Noch mal zurück zum Anfang. Was steht an erster Stelle?

Erstmal der Eigenschutz. Bei einem Unfall wie vergangene Woche auf der Autobahn rechts ranfahren, Warnblinker an und Warnweste anziehen. Dann ist es wichtig, sich einen Überblick zu verschaffen: Wie viele Verletzte? Um welche Art von Verletzungen handelt es sich? Sind alle ansprechbar? Die Antworten müssen möglichst genau sein, damit die Mitarbeiter der Leitstelle wissen, wie viele Rettungsmittel sie schicken müssen.

Apropos Leitstelle. Welche Informationen muss ich beim Notruf unter der 112 unbedingt parat haben?

Gut zu merken, sind die fünf W-Fragen. Wo ist es passiert? Was ist passiert? Wie viele Personen sind involviert? Welche Art von Verletzungen gibt es? Und dann: Warten auf Nachfragen. Wer zu aufgeregt ist, der lässt sich am besten von den Mitarbeitern am Telefon durch das Gespräch führen. Die wissen am besten, welche Infos sie noch benötigen.

Falls ich ganz unbeholfen bin - bleibt jemand am Telefon und unterstützt mich?

Die Möglichkeit gibt es. Ist jemand allein am Unfallort und wirklich hilflos, wenn es zum Beispiel um so etwas Schwieriges wie eine Wiederbelebung geht, was ganz ganz selten vorkommt, dann bleibt ein Mitarbeiter der Leitstelle am Telefon und unterstützt.

Zurück zum Unfallort. Womit beginne ich?

Hier gilt die Eselsbrücke H E L D: Das H steht für Hilfe rufen. Das E steht für Ermutigen. Und das ist äußerst wichtig. Das Trösten der Betroffenen ist eine der Hauptmaßnahmen bei der Ersten Hilfe. Das L steht für die Kontrolle der lebenswichtigen Funktionen. Sind die Verletzten bei Bewusstsein, atmen sie? Und dann kommt ganz wichtig das D für Decke unterlegen. Im Auto hat jeder im Verbandskasten eine Rettungsdecke. Wärme ist im Notfall ganz besonders wichtig, egal ob Sommer oder Winter.

Und wenn einer der Verletzten nicht mehr atmet? Sollte ich das mit der Wiederbelebung wirklich versuchen - auch wenn ich es mir nicht zutraue?

Wirklich viele haben davor Berührungsängste, aber nach unseren Erste-Hilfe-Lehrgängen höre ich oft: So schwierig ist das ja gar nicht. Und deswegen ist es auch wichtig, in regelmäßigen Abständen Erste-Hilfe-Kurse zu wiederholen. Eigentlich mindestens alle fünf Jahre. Weil es auch immer wieder neue Erkenntnisse gibt. Eine stabile Seitenlage bei einem Bewusstlosen würde man heute anders machen als noch vor zehn Jahren.

Und wie ist das mit dem Motorradhelm? Ich habe vor zehn Jahren noch gelernt, dass man den in keinem Fall dem Verletzten vom Kopf ziehen sollte. Stimmt?

Stimmt nicht. Der Helm muss auf jeden Fall runter, ganz vorsichtig. Sonst kann man auch nicht feststellen, ob der Betroffene atmet.

Gut zu wissen. Ich brauche also unbedingt noch mal einen Kurs. Was empfehlen Sie?

Wir haben beim DRK verschiedene Angebote vom ganz umfangreichen Kurs bis hin zum Auffrischungskurs. Alles ist hilfreich.

Kostenpunkt?

Zwischen zehn und 30 Euro.

Wann finden diese Kurse hier in der Region statt?

Das DRK bietet monatlich Erste-Hilfe-Kurse an, die Informationen gibt es auf unserer Homepage oder man ruft einfach in der Geschäftstelle an.

Die Homepage des Regionalverbandes Magdeburg-Jerichower Land des Deutschen Roten Kreuzes finden Sie online unter www. drk-mdjl.de und die Mitarbeiter der Geschäftsstelle erreichen Sie unter Telefon 03921/635 90.