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Zu siebt auf 89 Quadratmetern Eine Großfamilie in Wohn-Not

Kinderreiche sind asozial: Ein hartnäckiges Vorurteil. Das Gegenteil
stellte SPD-Bundestagsabgeordnete Waltraud Wolff beim Besuch in
Detershagen fest. Aber auch, dass Ehepaar Richter mit fünf gemeinsamen
Kindern oft selbst zurückstecken und mit einigen Baustellen im Haus
leben muss.

Von Natalie Häuser 23.02.2015, 02:34

Detershagen l Eine gemeinsame Tochter: Das war der Wunsch von Ehepaar Michael und Annett Richter aus Detershagen. Mit Emma Emely, knapp acht Monate alt, haben die vier älteren Brüder nun eine kleine Schwester dazu bekommen.

Wie es in Deutschland Brauch geworden ist, übernimmt der Bundespräsident persönlich die Patenschaft für das insgesamt siebte Kind der 43-jährigen Mutter. Zwei Töchter hat Hausfrau Annett Richter aus erster Ehe. Franziska (26) und Melanie (22) leben aber nicht mehr im Haus.

Kein Warmwasser und marode Elektrik

So schön das Familienglück auch ist, die Richters kämpfen mit Vorurteilen und Wohnraumproblemen. Auf 89 Quadratmetern leben die Eltern derzeit mit ihren fünf gemeinsamen Kindern. Zwei Öfen gibt es im gut 250 Jahre alten Haus mit Hofgrundstück. In der Küche und im Zimmer des ältesten Sohnes Lukas. Die anderen Zimmer sind kalt und auch warmes Wasser fehlt im Badezimmer, welches derzeit keine geschlossene Wandverkleidung hat. "Es ist mir selbst auch peinlich, aber momentan können wir uns es nicht leisten, weiter zu machen", sagt Annett Richter traurig.

Im August 2008 ist die Familie eingezogen. Annett Richters dringlichster Wunsch: "Wenn Tine Wittler aus dem Fernsehen hier vorbei kommen könnte. Sie und ihr Team haben schon so viele alte Häuser wieder schön gemacht." Eine Bitte, mit der sich die gelernte Teilfacharbeiterin für Dauerbackwaren auch an die SPD-Bundestagsabgeordnete Waltraud Wolff wendet, die bei der kleinen Emma Emely zu Besuch ist.

"Ich habe selbst vier Kinder und weiß, mit welchen Vorurteilen kinderreiche Familien zu kämpfen haben", sagt Wolff. Dieses Gefühl kennt Mutter Annett Richter nur zu gut. "Ab vier Kindern wird man als asozial abgestempelt, aber meine Kinder mussten nie hungern, da stecken wir als Eltern lieber selbst zurück", erzählt sie, während sie die Jüngste mit der Flasche füttert.

Seit der Wende ist die 43-Jährige Hausfrau und Vollzeitmutter. Ihr Mann, der weitere fünf Kinder aus erster Ehe hat, nennt sich selbst einen "Tausendsassa", was seine berufliche Laufbahn angeht. "Gelernt habe ich Bäcker, habe aber auch schon als Taxifahrer, im Baustoffrecycling oder als Berufskraftfahrer gearbeitet", zählt der 49-Jährige einige seiner Jobs auf. Seit einigen Jahren ist er bei einem Bestatter auf 165-Euro-Basis angestellt.

Annett Richter ist anzumerken, wie sehr sie die derzeitige Wohnsituation bedrückt. "Ich musste leider oft sehen, wenn sie geweint hat und verzweifelt war", sagt Sigrid Mehlmann, Schwangerschaftsberaterin des Paritätischen in Burg, die die siebenfache Mutter seit der Wende kennt und begleitet. "Wenn sich ein Profi die Stromversorgung hier angucken würde, müssten wir wahrscheinlich alles rausreißen", stellt der 49-jährige Familienvater fest, der in einigen Räumen bereits selbst ausgebessert hat, so gut es die finanzielle Lage zuließ. Es fehlt auch an Dingen, die für viele Familien selbstverständlich geworden sind. "Ein Geschirrspüler oder einen Trockner bräuchten die Richters eigentlich auch", ergänzt Mehlmann zusätzlich zum Elektroproblem im Haus.

Auch wenn es in der Wohnküche mollig warm ist, nachts muss Mutter Annett Tochter Emma Emely im Kinderzimmer einpacken "wie einen Eskimo", damit sie nicht friert.

Im Winter ist die Situation im Haus generell angespannter, da die Kinder nicht den ganzen Tag im Freien spielen können. "Im Sommer ist das natürlich ganz anders, da ist es hier für die Kinder ein Paradies", erzählt Vater Michael Richter, der dann mit Kindern und Enkeln im Wald, der gleich vor der Tür lockt, Abenteuerliches erlebt.

Einmal Urlaub mit der ganzen Familie

Vormittags ist es ruhiger im Hause der Richters. Nur der fünfjährige Angelo und seine Schwester Emma Emely bleiben zuhause. Lukas (19), Nico (16) und Alessandro (10) verlassen morgens das Haus. Dennoch bleibt für das Ehepaar erst gegen Abend Zeit für Zweisamkeit. "Dann gucken wir unsere Lieblingsserie `Berlin - Tag und Nacht` an und danach noch die Nachrichten", verrät Michael Richter, der vor Aufregung wegen des Besuchs der Bundestagsabgeordneten einen Kaffee nach dem anderen trinkt.

Neben dem größten Wunsch der Richters, dass RTL-Wohnraumgestalterin Tine Wittler mit ihrem "Einsatz in vier Wänden"-Team zu Hilfe kommt, ist auch ein gemeinsamer Familienurlaub der Detershagener ein Herzenswunsch von Mutter Annett: "Disneyland wäre für die Kinder natürlich toll, aber es gibt ja auch hier in der Nähe schöne Ziele, wie den Hasseröder Ferienpark im Harz."

Soforthilfe konnte Bundestagsabgeordnete Wolff den Richters auf die Schnelle nicht anbieten, versprach aber, zu schauen, ob und welche Fördermöglichkeiten die Situation der Familie erleichtern könnten.

Sie wollen Familie Richter helfen? Melden Sie sich unter 039 201/ 21 201 oder waltraud.wolff.wk@bundestag.de.