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Dritte Anzeige erstattet wegen verschwundener Nistmöglichkeiten für seltene Greifvögel bei Zeppernick und Hobeck Auch anderswo verschwinden Milan-Horste

Von Stephen Zechendorf 11.03.2015, 02:21

Erneut sind Nistmöglichkeiten für Milane und andere Greifvögel in der Region Zeppernick verschwunden. Erst vor wenigen Wochen waren auch im Bereich Hobeck Horste entwendet worden. Die Bürgerinitiative erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Zeppernick/Hobeck l Am 2. März besichtigte Henry Bartholomäus, Sprecher der Bu¨rgerinitiative (BI) "Unsere schöne Heimat", mit einem weiteren BI-Mitglied die von der Vogelschutzwarte Steckby dokumentierten Horststandorte im Bereich des geplanten Windparkes Zeppernick: "Dabei stellten wir fest, dass sämtliche dokumentierten MilanHorste nicht mehr vorhanden sind." Ihm zufolge soll es sich um bereits genutzte und potenzielle Brutstätten von Milanen handeln. Das Gebiet bei Zeppernick, Loburg und Möckern gilt als bevorzugtes Bruthabitat und Nahrungserwerbsraum fu¨r Rot- und Schwarzmilan, Mäusebussard, Fischadler und Turmfalke. Für Windkraftanlagen gelten gesetzliche Abstandsregelungen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten.

Es ist die bereits dritte Anzeige der Bürgerinitiative wegen unerlaubtem Entfernen von Milanhorsten sowie der Störung der Milane in den Gemarkungen während der Brut- und Setzzeit.

"Es ist auffällig, dass auch in anderen Landkreisen Sachsen-Anhalts genau in den Bereichen Milan-Horste verschwinden, in denen Windkraftanlagen geplant sind."

Polizeisprecher Thomas Kriebitzsch

Erst vor wenigen Wochen hatte man Anzeige gegen Unbekannt erstattet, nachdem auch im Bereich eines geplanten Windparks bei Hobeck Nistmöglichkeiten für Greifvögel verschwunden waren. Fast genau vor einem Jahr meldete sich die Bürgerinitiative "Unsere schöne Heimat" erstmals bei der Polizei. Damals waren im Bereich des angedachten Windeignungsgebietes bei Zeppernick sämtliche Milan-Horste und andere Großvögelnester verschwunden, ebenso die von der BI im Fru¨hjahr 2013 aufgebauten Nisthilfen. Die Polizei nahm bereits zu diesem Zeitpunkt wegen Diebstahls im besonders schweren Fall die Ermittlungen auf. "Wir konnten in diesem Fall keine Tatverdächtigten ermitteln", sagte gestern der Polizeisprecher des Jerichower Landes, Thomas Kriebitzsch.

Nach Eingang der jüngsten Anzeige sei ein Kollege vor Ort gewesen. "Der Kollege stellte fest, dass unter den entsprechenden Bäumen keine beschädigten Horste oder Nestinhalte gefunden wurden. "Es besteht daher kein Zweifel, dass die Horste mutwillig entfernt worden sind", sagte Kriebitzsch: "Die Ermittlungen laufen, Zeugen wurden vernommen, eine Beschuldigtenvernehmung hat bislang nicht stattgefunden." Inzwischen haben die Ermittler festgestellt, dass solche Fälle verschwundener Horste kein Einzelfall sind: "Es ist auffällig, dass auch in anderen Landkreisen Sachsen-Anhalts genau in den Bereichen Milan-Horste verschwinden, in denen Windkraftanlagen geplant sind", so der Polizeisprecher. Inzwischen gebe es eine landkreisübergreifende Kooperation der Polizeidienststellen. Man nehme den Fall ernst, so der Polizeisprecher. Mit Verweis auf die Personalstärke machte er aber wenig Hoffnung darauf, dass für den Fall eine eigene Ermittlungsgruppe eingesetzt werden könnte.

Handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, ist der Landkreis in der Pflicht

Auch der Landkreis Jerichower Land bestätigte der Volksstimme gestern den Eingang der bisherigen Anzeigen. Es müsse anhand des Bundesnaturschutzgesetzes geprüft werden, ob es sich bei der jüngst angezeigten Tat um eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat handele. Für Ordnungswidrigkeiten sei der Landkreis mit seiner Naturschutzbehörde zuständig, erklärte Kreissprecher Henry Liebe. "Bei den bisherigen Anzeigen wurden die Angelegenheiten als Straftat eingestuft und an die Staatsanwaltschaft weitergegeben." Bei den Entfernungen der Horste handele sich um artenschutzrechtliche Verstöße. Im aktuellen Fall scheint die Tendenz ähnlich.

Für Windkraftanlagen gelten gesetzliche Abstandsregelungen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie zu Brutplätzen ausgewählter Vogelarten. So ist für Windkraftanlagen ein Abstand von 1000 Metern zu Brutplätzen des Rotmilans formuliert, weiterhin ein Abstand von 6000 Metern um jede Windkraftanlage, indem zu prüfen ist, ob sich Nahrungsflächen der entsprechenden Art innerhalb dieses Bereiches befinden.

Vor knapp einem Jahr erklärte Kreissprecher Henry Liebe: "Im Ergebnis der landesweiten Rotmilankartierung in Sachsen-Anhalt wurde im 3000-Meter-Radius um den Planungsraum des Vorhabens in Zeppernick für diesen Bereich eine Anzahl von 13 Brutpaaren des Rotmilans erfasst. Diese 13 Brutpaare im Planungsraum bedeuten eine deutlich höhere Siedlungsdichte als im üblichen Landesdurchschnitt. Davon befinden sich drei Niststätten innerhalb des 1000-Meter-Abstandes zu den geplanten Windkraftanlagen. Daher ist es aus der Sicht des Artenschutzes nicht auszuschließen, dass der Betrieb der Anlagen zu einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für Rotmilane im Sinne des Bundesnaturschutzgesetz führen kann."

Die Zeppernicker Bürgerinitiative sieht den Landkreis Jerichower Land in der Verantwortung, für die verschwundenen Horste künstliche Nisthilfen als Ersatzhorste an den dokumentierten Standorten anzubringen, um die Anforderungen der Europäischen Vogelschutzrichtlinie zu erfüllen.

"Bei den bisherigen Anzeigen wurden die Angelegenheiten als Straftat eingestuft und an die Staatsanwaltschaft weitergegeben.

Landkreissprecher Henry Liebe

Die Bürgerinitiative hatte in der Vergangenheit in Eigeninitiative solche Nisthilfen für verschwundene Horste installiert, teils dort, wo sie verschwunden waren. Vertreter des Windpark-Investors hatten daraufhin zwei Nisthilfen noch nach Beginn der Brut- und Setzzeit unter Polizeiaufsicht wieder entfernen lassen und der BI übergeben.

Die BI verweist auf einen Fall bei Helmstedt. Hier hatte die zuständige Stelle entschieden, dass auch verschwundene Nester weiterhin bei der Ausweisung von Schutzgebieten gewertet werden: "Wo wir nachweislich Erkenntnisse haben, dass ein Horst vorhanden war, werden wir dies so behandeln, als ob der Horst noch existieren würde", wird eine Verbandsrätin des Zweckverbands Großraum Braunschweig in Zeitungsberichten zitiert.