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Nahverkehrsgesellschaft Jerichower Land im Rechtsstreit Über offene Türen im fahrenden Bus und eine Chefin ohne Vertrag

Der Bus biegt in die Kurve ein und plötzlich öffnen sich während der Fahrt die hinteren Bustüren. So beschreibt es eine Zeugin im Prozess der NJL gegen den ehemaligen Busfahrer Frank Endert. Währenddessen arbeitet die NJL-Geschäftsführerin Monate lang ohne gültigen Arbeitsvertrag.

Von Franziska Ellrich 21.03.2015, 02:27

Burg/Stendal l Die Bustickets vom 9. Juli 2013 hatte die Zeugin am Stendaler Landgericht dabei. An diesem Tag wollte die Rentnerin aus Möckern nach Schermen fahren, mit Umstieg in Burg. Auf dem Weg liegt Stegelitz. Und was bei der Einfahrt in den Ort damals passierte, daran könne sich die Zeugin noch genau erinnern. "Der Fahrer musste abbremsen, weil es dort eine scharfe Kurve gibt und dabei öffneten sich die hinteren Türen des Busses", erklärt die Rentnerin.

Sie war die Zeugin am jüngsten Verhandlungstag im Prozess Nahverkehrsgesellschaft Jerichower Land (NJL) gegen den ehemaligen Busfahrer Frank Endert. Frank Endert (FWG/Endert JL) ist Mitglied des Kreistages und hatte aufgrund seiner eigenen Erfahrungen immer wieder gefordert, dass die NJL mehr in die Sicherheit investieren müsse.

Jetzt sitzt er deswegen vor Gericht. Bei der NJL will man, dass Endert seine "Behauptungen" unterlässt. Und weil der Streitwert über 5000 Euro liegt, wird auch gleich vor dem Landgericht verhandelt. Mit Folgen für NJL-Mitarbeiter, die zu Zeugen wurden. Enderts Rechtsanwalt Klaus Schiller hat unter Beweis stellen lassen, dass ein Mitarbeiter nach seiner Aussage vorm Gericht vom Betriebsleiter ermahnt wurde. Sich einfach an nichts erinnern zu können, wäre dem Betriebsleiter zufolge die richtige Reaktion bei der Befragung gewesen.

Arbeitsvertrag bereits im Dezember ausgelaufen

Doch der Mitarbeiter konnte sich erinnern - und hat bezeugt, dass die Bustüren sich bei einer Geschwindigkeit ab 80 Kilometern pro Stunde auch schon einmal während einer seiner Busfahrten geöffnet haben. Ein Gefühl, was der Zeugin am jüngsten Verhandlungstag nur allzu gut in Erinnerung scheint: "Ich saß direkt hinter der Tür und konnte beobachten, wie sie langsam aufging." Der Busfahrer müsse den Vorfall gleich bemerkt und deswegen nach wenigen Metern angehalten haben. "Er hat mehrmals den Türöffner betätigt und nichts passierte, als der Fahrer nach hinten kam, konnte er nur mit Körpergewalt die Tür wieder schließen", sagt die Zeugin. Die Fahrt der Rentnerin im Juli 2013 fand früh am Morgen gegen 7.30 Uhr statt. Nur wenige Minuten, nachdem jede Menge Schüler mit dem Bus unterwegs waren.

Die Richterin am Stendaler Landgericht hatte zu dem Vorfall keine Nachfrage. Rechtsanwalt Schiller schon: "Können Sie sich an den Busfahrer von damals erinnern?" Das konnte sie. "Ja, das war der Herr Endert, der hier im Raum sitzt, er fährt schon ewig Bus im Landkreis." Doch das ist derzeit nicht der Fall. Frank Endert wurde von der NJL gekündigt - und sitzt nun vor dem Arbeitsgericht nicht auf der Anklagebank, sondern ist selbst Kläger. Mitte Mai soll entschieden werden, ob diese Kündigung rechtens war. "Bisher sieht es ganz klar nicht so aus", macht Rechtsanwalt Schiller deutlich.

Und während im Landgericht Stendal über die Unterlassung von Enderts "Behauptungen" verhandelt wird, geht die Geschäftsführerin der NJL Jutta Frömmrich ihrer Aufgabe ohne gültigen Arbeitsvertrag nach. Denn dieser war bereits im Dezember 2014 ausgelaufen. Und da der Landkreis hundertprozentiger Gesellschafter der NJL ist, hätte der Kreistag somit längst eine Verlängerung beschließen müssen. "Die einzuhaltende Terminkette wurde durch uns versäumt", räumt Kreissprecher Henry Liebe auf Volksstimme-Nachfrage ein. Der Landrat musste Ende Dezember eine Eilentscheidung treffen, und hat den Vertrag dem aktuellen Kreistag vom 11. März vorgelegt. Die Mitglieder haben einer Vertragsverlängerung zugestimmt. Damit bleibt Jutta Frömmrich Geschäftsführerin - doch auf die Nachfragen zu den Vorfällen gab es von ihr bisher trotzdem keine Antwort.