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Prozessauftakt gegen Lothar Finzelberg Aufklärung im Müllskandal wieder mal auf Eis gelegt

Von Franziska Ellrich 22.04.2015, 03:14

Magdeburg/Genthin l Vor Saal 5 des Magdeburger Landgerichtes reihen sich am Dienstagvormittag die Kamerastative aneinander, Fotografen sichern sich einen Platz in der ersten Reihe und Journalisten notieren sich die Namen der insgesamt acht Verteidiger. Fünf davon wollen die Unschuld der Geschäftsmänner Edgar E. und Siegfried K. beweisen. Die anderen drei sind für den ehemaligen Landrat des Jerichower Landes gekommen. Ihnen gegenüber nehmen die beiden Staatsanwälte - und zusätzlich zwei Finanzbeamte - Platz. Für Finzelberg geht es auch um Steuerhinterziehung.

Doch der erste Anklagepunkt lautet: Bestechung in einem besonders schweren Fall. Lothar Finzelberg soll mehr als 260 000 Euro an Geldern für Genehmigungen im Müllskandal rund um die Tongruben von Möckern und Vehlitz kassiert haben. Laut Anklage haben die Geschäftsmänner gezahlt und Finzelberg habe dafür Einfluss auf Genehmigungen zugunsten ihrer Firma genommen. Der Steuerschaden liegt bei rund 80 000 Euro. Finzelberg soll unter anderem private Fahrten mit dem Dienstwagen nicht ordnungsgemäß abgerechnet haben. Der Ex-Landrat taucht am Dienstag erst knapp vor Prozessbeginn im Gerichtssaal auf.

Ein Prozess, der gestern noch vorm Verlesen der Anklageschrift wieder ausgesetzt wurde. Und der laut Volksstimme-Informationen frühestens in sechs Wochen wieder aufgenommen wird. Auslöser: Der Vorsitzende Richter hatte für den Prozess eine Ergänzungsrichterin bestellt. Nur für den Fall, dass er oder eine der beiden beisitzenden Richterinnen für längere Zeit ausfällt. Wie die Ergänzungsrichterin bestimmt wurde, bemängelt gestern die Verteidigung von Siegfried K. So ein Ergänzungsrichter dürfe nicht gezielt ausgesucht, sondern müsse durch einen Geschäftsverteilungsplan festgelegt werden. Den gab es am Magdeburger Landgericht so nicht. "Das ist einfach mal Pech", konterte der Vorsitzende Richter auf den Vorwurf der Rechtsanwälte.

Und trotzdem: Nach einer eingehenden Beratung habe man sich entschlossen, kein Risiko einzugehen und den Prozess auszusetzen - bis das Problem geklärt ist, erläuterte gestern ein Gerichtssprecher auf Volksstimme-Nachfrage. Ein Problem, das rein gar nichts zur Aufklärung der mehr als eine Million Tonnen an Hausmüll, die in den Tongruben im Jerichower Land gelandet sind, beiträgt.

Rückblick: Vor rund zehn Jahren beginnt der Tonabbau in den Gruben in Möckern und Vehlitz. Eigentlich sollen diese nur mit Bauschutt, Erde und Steinen verfüllt werden dürfen. Es landet jedoch geschredderter Haus- und Gewerbemüll darin, der heute Zersetzungsgase freisetzt, die durch Gasbrunnen aufgefangen werden sollen. Dass kontaminiertes Wasser austritt, sollen Spundwände verhindern.

Alles Sanierungsmaßnahmen - finanziert vom Land Sachsen-Anhalt. Weit mehr als 15 Millionen sind dafür bereits geflossen. Die Staatsanwaltschaft sucht seit Jahren nach den Verantwortlichen und hat unter anderem zwei Manager des französischen Großkonzerns Veolia angeklagt - ein Dienstleister für Entsorgung, Wasser und Energie. Veolia hat 2007 den Sulo-Konzern übernommen, der bereits zwei Jahre vorher die Mehrheit an der Abfallbehandlungsanlage der HRH Recycling GmbH Möckern von Edgar E. gekauft hatte. Rund 250 000 Tonnen des eingelagerten Mülls sollen von einem Veolia-Tochterunternehmen angeliefert worden sein. Dass das auf Basis einer rechtskonformen Genehmigung - zumindest im Fall Vehlitz - passiert sein soll, hat jetzt das Landgericht Stendal entschieden. Das Verfahren gegen die Betreiber der Vehlitzer Grube wurde abgelehnt. Man gehe laut Kammer davon aus, dass die verfüllten Abfälle einer Sonderbetriebszulassung entsprachen.

Doch welche Rolle spielt dabei der Ex-Landrat? Das sollten nun - zehn Jahre danach - die Verhandlungen vor dem Magdeburger Landgericht beantworten. Die bis auf Weiteres ausgesetzt sind. Seite 1/Seite 4