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Notunterkünfte der Diakonie bieten keinen Luxus, aber ein festes Dach über dem Kopf Am Rande der Gesellschaft - Manfred W. schämt sich für sein Leben als Obdachloser

Von Anja Guse 12.06.2012, 05:19

Nie wieder obdachlos sein - das hat sich Manfred W. aus Burg geschworen. Mehrere Monate hat der 54-Jährige auf der Straße gelebt. Dann zog er in ein Zimmer der Diakonie. Der Bedarf an Notunterkünften dieser Art ist da.

Burg l Manfred W. kennt keinen Luxus, und er wird ihn vermutlich nie kennenlernen. Der 54-Jährige fährt kein Auto, besitzt keine hochwertige Golduhr und wohnt in keinem schmucken Eigenheim. Manfred W. lebt stattdessen in einem kleinen Zimmer mit abgescheuerter Tapete, altmodischer dunkler Schrankwand, verblichenem Sofa und durchgelegenem Bett. Er trägt ausgewaschene Pullover und zerschlissene Jeans. Und dennoch ist er zufrieden. Denn seit wenigen Jahren hat der Burger ein festes Dach über den Kopf. Sein Zuhause ist die Notunterkunft der Diakonie.

"Das war nicht immer so", berichtet er und zieht langsam an einer Zigarette. "Vor einiger Zeit lebten wir noch auf der Straße und schliefen in einer alten Baracke", sagt er. "Wir wärmten uns im Winter mit Decken vom DRK und badeten im Sommer im Kanal. Wir waren allein und lebten am Rande der Gesellschaft. Das war ein sehr hartes Leben, wir schämten uns sehr."

Wir, das sind er und sein erkrankter Kumpel. Das Leben auf der Straße schweißte die Männer noch enger zusammen. "Wir rauchen zusammen, wir essen zusammen, wir trinken zusammen", sagt Manfred W. Und gemeinsam fanden sie durch die Notunterkunft ihre Menschenwürde wieder.

Sechs Wohnungen mit Schlafplätzen für zwölf Personen stehen im Haus der Diakonie in Burg für Menschen ohne festen Wohnsitz bereit. Eine Aufbettung ist für bis zu 15 Personen möglich. Zusätzlich können bis zu drei Wohnungen im Stadtgebiet kurzfristig bewohnt werden. Das wird vorrangig von Familien und Ehepaaren genutzt.

Eigentlich sollen diese Schlafplätze nur kurzzeitige Hilfe in der Not sein. Bei Manfred W. und seinem Kumpel macht die Diakonie eine Ausnahme. "Die beiden zahlen eine Art Miete", erklärt Christiane Nagel. Die Sozialarbeiterin des Diakonischen Werkes betreut die Mieter des ambulanten Wohnens. Sie teilt dem 54-Jährigen und seinem Kumpel das Geld vom Amt zu und schaut regelmäßig in ihrer Wohnung vorbei. Ohne sie wären die Burger im Behörden-dschungel verloren. Anträge stellen und Mietverträge unterschreiben - das könnten sie nicht mehr ohne Hilfe.

Anfangs wollte Manfred W. das kleine Zimmer in der Grünstraße gar nicht beziehen. Er fürchtete um seine Freiheit. Doch irgendwann sah er ein: Es geht nicht mehr anders. "Und na ja, unsere Ruhe haben wir hier auch. Wir können kommen und gehen, wann wir wollen", sagt er. "Und hier redet auch niemand schlecht über den anderen." Und schämen müsse er sich für seinen Lebensstil nun auch nicht mehr.

Der Bedarf an Notunterkünften dieser Art sei da, berichtet Nagel, insbesondere bei älteren Männern. Dem Leben auf der Straße gehen meist Mietschulden und mietwidriges Verhalten - so im Amtsdeutsch - voraus. Oft seien auch Alkoholprobleme, ein falscher Umgang mit Geld und fehlende Berufsabschlüsse im Spiel.