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Erfolgreiche archäologische Grabungen auf 3,5 Hektar Baufläche für die neue Schleusenkammer "Schatzsuche" bei Zerben: 1500 Funde aus drei Epochen vorchristlicher Besiedlung

Von Sigrun Tausche 16.10.2012, 03:19

Pressetermin auf dem Gelände der künftigen zweiten Schleusenkammer bei Zerben: Fünf Monate nach Beginn der archäologischen Grabungen werden der Öffentlichkeit interessante Erkenntnisse mitgeteilt: Drei Epochen vorchristlicher Besiedlung konnten hier nachgewiesen werden.

Zerben l "Ich bin froh, dass wir das heute abschließen können und das Baufeld für mich frei ist", sagte Henrik Täger, Leiter des Wasserstraßenneubauamts Magdeburg. Auf dreieinhalb Hektar Fläche haben insgesamt 25 Mitarbeiter etwa 1500 Befunde registriert beziehungsweise geborgen. Dr. Susanne Friedrich vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt spricht von höchster archäologischer Relevanz für dieses Gebiet und macht klar, dass im Umfeld durchaus weitere Spuren früher Besiedlung vermutet werden können. "Die untersuchte Fläche orientiert sich nicht an einer ehemaligen Siedlung, sondern ist ein Ausschnitt, vorgegeben vom Bauvorhaben."

Der damalige Siedlungsort war eine Dünenkuppe am Rand des ehemaligen Ihlelaufs, sehr sandiger Boden also. Die "Bandkeramiker", die um 5000 v. Chr. an verschiedenen Stellen siedelten, waren schwere Lössböden gewöhnt und kamen deshalb nicht hierher, erklärte Dr. Friedrich. Die ältesten hier entdeckten Besiedlungsspuren gehen auf die Jungsteinzeit um 3000 v. Chr. zurück. Eine mit Ornamenten verzierte Schale wird der "Schönfelder Kultur" zugeordnet (2800 bis 2200 v. Chr.), weitere verzierte Scherben seien vermutlich noch älter und könnten der Tiefstichkeramik-Kultur angehören (3700 bis 3350 v.Chr.).

Auf eine Besiedlung in der Übergangsphase von der späten Bronze- zur frühen Eisenzeit ("Lausitzer Kultur", etwa 1300 bis 800 v. Chr.) weisen etwa 25 Urnengräber hin. Einwanderer aus der Lausitz und Elbsachsen brachten diese Kultur mit. Charakteristisch sind mit Buckeln, Rillen, Riefen und Rippen verzierte Gefäße, die sich auch hier in den Gräbern fanden. Typisch ist auch die Brandbestattung: Urnen mit Leichenbrand wurden gefunden, die nun in Zusammenarbeit mit Anthropologen untersucht werden.

Besonders intensiv sei das Gelände in der vorrömischen Eisenzeit genutzt worden. Es wurde eine Siedlung entdeckt, die der "Jastorfkultur" (etwa 500 bis 350 v. Chr.) zugeordnet werden könne. Zahlreiche Siedlungsgruben wurden entdeckt, die sich durch Verfärbungen im hellen Sandboden abzeichneten und teilweise erhebliche Mengen an Keramik enthielten: große Vorratsgefäße und auch einen außergewöhnlichen Fund: eine Scherbe mit Ringhenkel (Foto).

Zu dieser Siedlung gehören vermutlich auch die Reste eines kleineren und zweier größerer Herde oder Öfen sowie zweier direkt hintereinander liegender großer Wandgrabenhäuser, sechs Meter breit und 20 bis 22 Meter lang. Pfostenstandspuren zeugen von weiterer Bebauung.

Zu den besonders interessanten Funden gehören auch Siebgefäße, die für die Milchverarbeitung verwendet wurden. Hierdurch lasse sich rekonstruieren, seit wann Milch von den Menschen vertragen wurde, erklärte Dr. Susanne Friedrich. Man könne anhaftende Rückstände biochemisch untersuchen - das sei aber derzeit in Deutschland nicht möglich, sondern werde in Großbritannien gemacht.

Zahlreiche kleine Fundstücke aus dem Alltag der damaligen Bewohner ergänzen diese großartigen Entdeckungen: Spinnwirtel, Gürtelschnallen aus Eisen, ein Bronzearmband, Teile von Löffeln...