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Winteraustreibung der bunten Art: Bei Frühlingstemperaturen zogen die Lindstedter Sänger wieder von Dorf zu Dorf Bärenleite: Meister Petz schwitzt unterm Fell

Von Conny Kaiser 18.02.2014, 01:27

Sie haben schon bei klirrender Kälte den Winter ausgetrieben, bei Regen und bei Sturm. Am Sonnabend, als die Mitglieder des Männergesangvereins Lindstedt mit ihrer traditionellen Bärenleite begannen, da herrschten jedoch frühlingshafte Temperaturen. Und daran sollte sich auch bis zum großen Eierbackessen am Abend nichts mehr ändern.

Lindstedt/Seethen l Jörg Gerasch hat sichtlich Spaß. Der 50-Jährige ist wieder bei der Bärenleite dabei. Das lässt er sich nicht nehmen, auch wenn er berufsbedingt schon seit Jahren nicht mehr zu den aktiven Mitgliedern des Männergesangvereines Lindstedt gehört.

Der hat diese besondere Art der Winteraustreibung vor mehr als 100 Jahren erfunden. Und nicht nur Jörg Gerasch ist der Meinung, dass die alte Tradition bewahrt werden sollte. Er hat sich extra ein Kostüm angelegt und eine Drehorgel Marke Eigenbau um die Schultern gehängt. Auch wenn die Musik daraus in Wirklichkeit aus einem Speichermedium kommt - das klatschende Plüschäffchen, das auf dem roten Kasten sitzt, und die blauen Stöcker, die darunter auf eine kleine Blechtrommel einschlagen, verdanken es dem Geschick ihres Zylinder tragenden Meisters, dass sie sich wie von Geisterhand bewegen.

Bewegung ist im Zug der Bärenleite ständig. Der beginnt seine Tour am Sonnabend in Lindstedterhorst, fährt dann nach Lotsche und Seethen, um schließlich im Heimatort des Gesangvereines zu landen, also in Lindstedt, wo das Ganze einmal seinen Anfang genommen hat.

Dass auch die anderen Dörfer einbezogen werden - der Männergesangverein hat extra einen Bus gechartert -, liegt daran, dass dort überall aktive Mitglieder wohnen. Und deren Frauen warten meistens schon mit selbstgemachten Suppen, mit Fleischhäppchen, belegten Brötchen und natürlich mit so manchem Schnäpschen auf die kunterbunte Truppe. Denn gut geölt funktionieren deren Stimmen einfach besser. Schließlich wird an jedem Haus, an dem die kostümierten Männer Rast machen, auch ein Lied gesungen. Dafür sorgt schon ihr Chef Wolfgang Preiß, der bei allem den vollen Überblick behält. Und der sich wahrscheinlich wünschen würde, dass die vielen jungen Männer, die bei der Bärenleite dabei sind, in den Chor eintreten mögen. Aber es habe, verrät Bernd Richter, der Vorsitzende der Sänger, schon Überzeugungsarbeit gebraucht, um sie überhaupt für den Zug zu gewinnen. Denn dort mitzumachen, sei heute leider nicht mehr selbstverständlich. Auch das Interesse der Bevölkerung an dem bunten Treiben könnte durchaus größer sein. Richter ist jedoch froh, dass sich mit Fabian Neuber jemand gefunden hat, der nun das Kostüm des Bären trägt. Denn der symbolisiert mit seinem dicken Fell den Winter und muss nach guter alter Tradition aus dem Dorf getrieben werden. Dass Neuber dabei angesichts des Wetters am Sonnabend so manche Schweißperle vom Körper rinnt, bleibt nicht verborgen. Schließlich herrschen frühlingshafte Temperaturen. Temperaturen, bei denen sich das Kamel ganz besonders wohl fühlt. Es symbolisiert den Sommer. Und unter seiner Haut stecken diesmal Philipp Wichmann und Robert Okon. Weil sie in ihrer Kostümierung nicht gut sehen können, brauchen sie einen Kamelführer. Den mimt Brian Giebeler.

Eine ganz besondere Rolle wird jedoch Stephan Gerth zuteil. Der Seethener steckt im Kostüm der Eierfrau. Und die sammelt bei allen Zwischenstopps der Bärenleite die Zutaten fürs große Eierbackessen, das zum Abschluss des Spektakels in der ehemaligen Lind- stedter Schulspeisung stattfindet. Dort kommen alle, die am Umzug teilgenommen haben, am Ende noch einmal zusammen, um die ganze Sache auszuwerten und um gemeinsam auf den Frühling anzustoßen - und darauf, dass es die Bärenleite auch 2015 wieder gibt.

Leider, sagt Arno Otte, der schon seit 1953 im Lindstedter Chor singt, werde es immer schwieriger, die Menschen für das bunte Treiben zu motivieren. Das gelte nicht nur für die Aktiven, sondern auch für die, die am Straßenrand stehen und zuschauen würden. Denn davon lebt die Bärenleite.