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Abgebaute Spielgeräte, marode Straßen: Viele Einwohner am Kalbenser Petersberg fühlen sich benachteiligt "Wir sind doch hier der letzte Husten"

21.06.2014, 01:14

Es ist Kalbes "Platte". Wer am Kalbenser Petersberg lebt, wohnt in einer sogenannten Neubauwohnung. Neu ist hier indes nicht mehr viel. Viele Einwohner fühlen sich im Stich gelassen, vor allem junge Eltern ärgern sich über die Missstände.

Kalbe l Nein, er ist eindeutig nicht Kalbes schönste Wohngegend. Plattenbauten prägen den Petersberg. Manche stehen schon komplett leer, andere gehören einem privaten Wohnungsanbieter.

Die Blöcke Straße der Freundschaft 14 bis 18 und Straße der Einheit 9 bis 19 gehören der Stadt und sehen auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus: Die Fassaden sind saniert, die Grünanlagen davor gepflegt. Neubau eben, aber nett.

Doch wer genauer hinschaut, dem bleiben die vielen Baumängel dann doch nicht verborgen. Denn aus Platten besteht hier auch die Straße. Und die sind abgesackt an vielen Stellen, genau so wie Gullys auf den Bürgersteigen. Borde sind weggebrochen. Eine Absenkung gibt es hier nirgends. "Für mich ist das eine Katastrophe", sagt Sabine Christoph, die wegen einer Verletzung derzeit im Rollstuhl sitzt und nicht weiß, wie sie vom Bürgersteig herunterrollen soll.

Neulich sei eine Mitarbeiterin der Kreisverwaltung, die hier dienstlich unterwegs war, über so einen abgesackten Gully gefallen und habe sich die Hose kaputtgerissen, sagt Petersberg-Bewohnerin Corina Ilgenstein. Und da sei sie nicht die einzige. Alte Leute, die auf den Rollator angewiesen sind, hätten schlechte Karten, genau wie junge Mütter mit Kinderwagen. "Ich war deswegen schon so oft bei der Stadt", so Ilgenstein wütend, aber wenn überhaupt, werde nur oberflächlich repariert. "Wir sind doch hier der letzte Husten."

Denn es ist längst nicht nur die Straße, die sie ärgert. Da ist auch noch die "Müllwiese" hinter dem Block, auf der das Gras meterhoch steht, von zwei Trampelpfaden durchbrochen. Was sich darin alles an Abfall verbirgt, wollen Corina Ilgenstein und Carola Fehse, die einen Block weiter wohnt, gar nicht so genau wissen. "Hier wird nie gemäht", sagt Fehse. Hundehaufen liegen überall, und Müll sammele sich immer wieder im Gras.

"Guck mal Mutti, jetzt steht unser schönes Klettergerüst hier."

Anwohnerin Corina Ilgenstein

Das Allerschlimmste sei aber der Spielplatz, sagt Corina Ilgenstein. Der nämlich leide an akuter Spielgeräteschwindsucht: "Hier stand mal ein großes Klettergerüst. Das ist vor einer Weile abgebaut worden und steht jetzt auf dem Hortspielplatz. Ihre Tochter habe es da entdeckt und gesagt: "Guck mal Mutti, jetzt steht unser schönes Klettergerüst hier!" Und auch der Zaun, der bis vor einer Weile noch hier gestanden habe, sei abgebaut worden. "Und der ist jetzt am Märchenlandkindergarten wieder aufgetaucht."

"Eine Schande ist das", schimpft auch Corina Ilgensteins Nachbarin Herta Nowag. Sie habe zwar keine Kinder mehr, aber was den Kleinen hier geboten werde, sei unmöglich.

Dabei gibt es richtig viele Kinder am Petersberg. Die Flüchtlinge, die vor kurzem hergezogen sind, haben auch große Familien. "Neulich habe ich 21 Jungs gezählt, die hier Fußball gespielt haben", erzählt Petersberg-Bewohnerin Inge Frenzel. Und das sei ja auch schön, dass es den Fußballplatz gebe, der jedoch sei wieder für die Kleineren gefährlich. Ein Ball, der von dort in Richtung Spielplatz geschossen wurde, hätte kürzlich einen kleinen Jungen am Rücken getroffen, "und der hat erst gar keine Luft mehr gekriegt", sagt Frenzel kopfschüttelnd.

Die Eltern am Petersberg stört aber nicht nur der Abbau der Spielgeräte: "Wo sollen wir uns hinsetzen, wenn die Kinder dort spielen?", fragen Simone und Jeniffer van Kempten. Und auch Kerstin Kliene-Hors ärgern die fehlenden Bänke. Aber ihr Sohn Jannick spiele dort ohnehin nicht gern, sagt sie. Der Fünfjährige nickt heftig: "Das ist gar nicht schön da".

Dass Klettergerüst und Zaun durch städtische Mitarbeiter tatsächlich am Petersberg abgebaut worden sind, bestätigt schließlich auf Nachfrage Bauamtsleiter Reiner Kölsch. Und ja, sie seien auch tatsächlich, wenn auch nur in Teilen, auf dem Hortspielplatz und am Märchenland wieder aufgebaut worden - nach einer Reparatur, durch die Stadt oder Fremdfirmen. Am Petersberg waren nämlich etliche Elemente des Metallstreckzaunes beschädigt "einige offensichtlich sogar entwendet worden". Und auch das Klettergerüst habe so, wie es auf dem Petersberg stand, eben nicht mehr gefahrlos genutzt werden können. Es habe akute Verletzungsgefahr bestanden, so Kölsch. "Es wurde dann abgebaut und zunächst einmal eingelagert."

"Unsere größten Probleme sind Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit.

Bauamtsleiter Reiner Kölsch

Diese Zerstörungswut, der Diebstahl der Zaunelemente, sie seien eben nicht ganz untypisch für den Petersberg, gibt Kölsch zu bedenken. "Unsere größten Probleme sind dort einfach Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit." Natürlich sei die Stadt auch hier gefordert, das Umfeld zu erhalten. "Aber wenn immer wieder alles kaputt gemacht wird", müsse man eben überlegen, ob so schnell wieder was aufgebaut werden könne. Insbesondere weil so ein Spielgerät schnell mal mehrere tausend Euro kostet.

Dennoch sehe auch er den gewaltigen Reparaturstau am Petersberg, gibt Kölsch zu. Das sei eine Geschichte, der sich die Stadt mal als Gesamtproblematik widmen müsste. Insbesondere die Straßen seien tatsächlich schlecht. Und zwar so, dass eigentlich grundhaft ausgebaut werden muss. Doch auch anderswo gebe es eben noch viel Reparaturbedarf. Und nachdem im vergangenen Jahr zwei Straßen in Kalbe saniert wurden, "soll ja in diesem Jahr wieder mehr in den Dörfern passieren." So scheitere vieles eben einfach am Geld: "Glauben Sie mir", sagt Kölsch, "wenn wir volle Kassen hätten, hätte auch der Petersberg einen tollen Spielplatz."

Trotzdem sollte dort einiges möglich sein, glaubt Kölsch. So könnten mithilfe der Kooperationspartner der ABS Drömling oder anderer auf dem Spielplatz wieder Bänke für die Eltern aufgestellt werden. Vielleicht, sagt Kölsch, sei das ja auch ein positiver Impuls für die Anwohner, "die so viel kritisieren", sich auch selbst ein bisschen mehr um Ordnung und Sauberkeit zu kümmern.