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Bauernfahne restauriert "Das ist wirklich etwas sehr Seltenes"

21 Monate ist es her, dass die Klein Engersener Bauernfahne zur
Restauration nach Halle gebracht worden ist. Gestern kam sie an ihren
angestammten Platz zurück. Und nicht nur die Augen von Herbert Schulz,
der die Restauration vorangetrieben hatte, leuchteten beim Anblick des
Kleinodes. Es ist von unschätzbarem ideellen Wert.

Von Conny Kaiser 21.10.2014, 01:16

Klein Engersen l "Das ist wirklich etwas sehr Seltenes", sagt Gemälderestauratorin Andrea Himpel und rollt gemeinsam mit ihren Kolleginnen, der Gemälderestauratorin Linda Haselbach und der Textilrestauratorin Andrea Knüpfer, die Klein Engersener Bauernfahne auseinander.

Seit Montag ist dieses wertvolle Erinnerungsstück, mit dem hiesige Bauern bereits 1675 in den Krieg gegen die Schweden gezogen sind, wieder an seinem angestammten Platz in der Klein Engersener Kirche zu sehen. Sein Zustand ist nicht mehr mit dem vergleichbar, den es hatte, als es im Januar 2013 von den Fachfrauen abgeholt worden war. Sie haben die Bauernfahne in mühevoller Kleinarbeit und in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde sowie mit dem Konsistorium der evangelischen Kirche Mitteldeutschland so hergerichtet, dass die Klein Engersener in den kommenden Jahrzehnten wieder mit Stolz auf dieses Kleinod blicken können.

Als die Fahne ausgerollt wird, schaut auch Herbert Schulz beseelt. Denn natürlich hat er es sich nicht nehmen lassen, bei der Ankunft des wertvollen Stückes dabei zu sein. Immerhin war es der 67-jährige Klein Engersener, der die Restauration angeschoben und sich dann auch um alle organisatorischen Notwendigkeiten gekümmert hatte. Dazu gehörte auch die Beschaffung von Finanzmitteln. Denn in der Klein Engersener Kirchenkasse herrschte nach der 2009/2010 erfolgten Sanierung des Gotteshauses erst einmal Leere.

Kosten von rund 9000 Euro

Um die Fahne restaurieren zu können, wurden aber knapp 9000 Euro benötigt. Ursprünglich sollte die Maßnahme nur rund 4000 Euro kosten. Dann jedoch wurde in Halle festgestellt, dass das Tuch von beiden Seiten bemalt ist - ein zusätzliches Indiz für die Echtheit der Fahne - und dass auch diese kunstvolle Verzierung für die Nachwelt erhalten werden sollte. Es musste also eine Umstellung des Restaurationskonzeptes erfolgen.

Zum Glück, so Herbert Schulz, hätten sich aber neben der Kirchenstiftung noch weitere Sponsoren gefunden, die jeweils vierstellige Beträge zur Verfügung gestellt hätten. Dazu würden die Stiftung Zukunft Altmark mit Sitz in Zichtau, die Kreissparkasse, die Jagdgenossenschaft Engersen und eine Bürgerin aus Klein Engersen gehören, die nicht genannt werden wolle. Sämtliche Geldgeber hätten natürlich eine Einladung zum festlichen Gottesdienst erhalten, in dessen Rahmen an diesem Wochenende auch eine Fahnenweihe stattfinde, sagt Schulz.

Er selbst ist zwar nicht Mitglied im Engersener Gemeindekirchenrat, der seit 2013 auch für Klein Engersen zuständig ist. Doch ist er bereits unter der Bauernfahne getauft worden. Und deshalb, betont er, könne ihm dieses Tuch nicht egal sein. Mit Schaudern erinnert er sich noch an jenen Moment, als er nach der Kirchensanierung zum ersten Mal wieder in einem Gottesdienst gesessen und auf die Bauernfahne geschaut habe. "Ich konnte mich damals auf nichts anderes mehr konzentrieren." So sehr habe ihn der Zustand der Fahne erschüttert. Denn sie sei während der Bauarbeiten zwischengelagert worden und in dieser Zeit offenbar besonders stark gealtert, berichtet Schulz. Das Seidenmaterial, mit dem die Fahne in den 1970er Jahren zum Schutz ummantelt worden war, hing in Fetzen an ihr herunter. Zudem wies sie Löcher auf und machte den Eindruck, vom Schimmelpilz zerfressen zu sein.

Doch eine Analyse im Zuge der Restauration habe gezeigt, dass es in dem Tuch keine aktiven Mikroorganismen gäbe. Das sei natürlich sehr positiv zu werten, betont Fachfrau Andrea Knüpfer. Zudem macht sie im Hinblick auf den unterschwelligen Konkurrenzkampf, den es wegen der jeweiligen Bauernfahne immer wieder zwischen Dannefeld und Klein Engersen zu geben scheint, deutlich: "Beide Fahnen befinden sich in einem unterschiedlichen Erhaltungszustand, was ich hier ganz ohne Wertung sage." Und Knüpfers Kollegin Andrea Himpel fügt hinzu: "Auch ich kenne beide Fahnen. Und beide haben ihre Berechtigung. Denn sie sind die einzigen ihrer Art, die noch erhalten sind."

Spricht`s und baut gemeinsam mit ihren beiden Kolleginnen einen Sonnenschutz für jenes Fenster zusammen, durch das bislang stets das Licht auf die Bauernfahne fiel. Künftig soll sie vor zuviel Strahlung geschützt werden.