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"Alltag in der Kunst": Anna-Maria Knüppel ist für ihre Bachelorarbeit nach Kalbe zurückgekehrt Von Blaumännern und Aschetüten

Von Conny Kaiser 22.11.2014, 01:06

Anna-Maria Knüppel war die erste Stipendiatin überhaupt, die im Sommer 2013 in die angehende Künstlerstadt Kalbe kam. Nun ist sie wieder da - als sogenannter Artist in residence. Denn in dem beschaulichen Städtchen findet sie Ruhe für ihre Bachelorarbeit. Manchmal allerdings ist es sogar etwas zu still.

Kalbe l "Hier, fühlen Sie mal", sagt Anna-Maria Knüppel und hält der Reporterin ein Tütchen voll Asche entgegen. "Ist das nicht unheimlich weich?", fragt sie. Jemand anderes hätte die Asche wahrscheinlich unbeachtet zusammengekehrt und schnellstmöglich in den Abfall transportiert. Nicht so Künstlerin Anna-Maria Knüppel. Sie hat sie fein säuberlich in Tüten abgepackt und will sie nun mit an ihren Studienort Essen nehmen. "Mal sehen, was sich damit machen lässt. Vielleicht kann ich ja damit malen", sagt die 24-Jährige.

"Hat mich interessiert, was die Ruhe hier mit mir macht."

Unter dem Motto "Alltag in der Kunst" schreibt sie gerade ihre Bachelorarbeit in Kalbe. Und das Städtchen dient ihr dabei als Quelle der Inspiration. Asche gehört dort zuweilen noch immer zum Alltag dazu. Aktuell ist sie in jener Stipendiatenwohnung an der Gerichsstraße angefallen, in der Anna-Maria Knüppel vorübergehend ein zweites Zuhause gefunden hat. Denn dort lässt sich nur mit Kohle und Holz heizen. Der jungen Künstlerin, die an der Folkwang Universität der Künste in Essen das Fach Fotografie studiert, macht das aber nichts aus. Im Gegenteil. Sie war die erste Stipendiatin überhaupt, die 2013 in die angehende Künstlerstadt Kalbe kam, wusste also genau, worauf sie sich einlässt, als sie sich entschied, ihre Bachelorarbeit genau dort und nirgendwo sonst zu verfassen. "Ich hätte sie natürlich auch an jedem anderen Ort schreiben können", sagt Anna-Maria Knüppel. "Aber es hat mich interessiert, was die Ruhe, die hier herrscht, mit mir macht. Manchmal", so gibt die Kunststudentin zu, "ist es natürlich wirklich sehr einsam. Gerade, wenn es nachmittags so früh dunkel wird." In solchen Momenten hilft ihr Mira. Dabei handelt es sich um einen einjährigen Labrador-Mix, der Anna-Maria Knüppel inzwischen auf all ihren Wegen begleitet.

Und diese Wege führen sie mitunter in einen örtlichen Landhandel, in dem es für die junge Frau vieles zu entdecken gibt, was ihr bislang unbekannt war. Dort hat sie auch einen Blaumann erworben, der in Kalbe irgendwie zur Grundausstattung zu gehören scheint. Nirgendwo sonst sind ihr nämlich so viele Männer in dieser typischen Arbeitskleidung begegnet. Und selbstverständlich fließt diese Betrachtung auch in Knüppels Bachelorarbeit ein. Genau wie das aktuelle Tagesgeschehen in Kalbe. "Ich habe in den vergangenen zwei Wochen wirklich ganz viel Zeitung gelesen und ausgeschnitten, was ich interessant fand", erzählt die Kunststudentin. Und natürlich - schließlich ist das ihre Passion - hat sie viel fotografiert. Zum Beispiel die Nahrungsmittel, die sie, wie bereits bei ihrem ersten Aufenthalt vor mehr als einem Jahr, von Kalbensern geschenkt bekommen hat. Oder die Tüte mit Natron, diesem alten Hausmittel, das ihr als Hilfe gegen den Abflussgestank empfohlen worden ist. Hat übrigens tatsächlich geholfen, verrät Anna-Maria Knüppel.

Ihren aktuellen Aufenthalt in Kalbe hat sie gestern fürs Erste beendet. Nun geht es für die junge Frau, die in Greifswald und Rostock aufgewachsen ist, erst einmal zurück an ihren Studienort. Dort will sie alles, was sie in der Altmark zusammengetragen hat, kategorisieren und in ihre Abschluss-arbeit einfließen lassen. Wie, das weiß sie auch noch nicht ganz genau. Doch sie hat bereits Vorstellungen davon und ist optimistisch, dass sie die endgültige Antwort gefunden hat, wenn sie im Januar nach Kalbe zurückkehrt, um den Feinschliff an ihrer Bachelorarbeit vorzunehmen.

"Den Platz im Herzen? Den hat Kalbe doch schon längst."

An jenem Ort also, an dem sie im Sommer 2013 für Gesprächsstoff gesorgt hatte, weil sie sich als erste Künstlerstadt-Stipendiatin auf einer Kommode sitzend und mit niedlichem Hut auf dem Kopf fotografieren lassen hatte - und weil sie wenig später eine Wäscheleine vor dem Haus gespannt und mit flatterndem Geschirrtuch öffentlich bekanntgegeben hatte, ob sie gerade anwesend war oder nicht.

Um ihr Verhältnis zur Milde-Stadt zu beschreiben, braucht es aber keine Bachelorarbeit. Denn auf die Frage, ob das Städtchen irgendwann einen Platz in ihrem Herzen finden wird, sagt sie: "Den hat es doch schon längst. Auch dank der netten Menschen."