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Schiedsstelle Streitschlichter am Gartenzaun

Nicht immer müssen Streithähne gleich vors Gericht ziehen. Manchmal gibt es eine Zwischenstation: die Schiedsstelle.

Von Gesine Biermann 12.08.2015, 18:56

Gardelegen l Eines fällt sofort auf: Jens Mracek kann zuhören. Und er schaut immer freundlich und bleibt geduldig, selbst bei provozierenden Fragen. Aber diese Eigenschaften muss man wohl auch haben, wenn man eine Schiedsperson ist. Jens Mracek ist sogar mehr, er ist der Vorsitzende der Gardeleger Schiedsstelle, und das bereits seit 15 Jahren. Er kennt sie alle, die kleinen Ärgernisse im Alltag, aber auch die Streitereien, bei denen es persönlich wird. Und wer da denkt, es gibt den typischen Bürger, der sich an die Schiedsstelle wendet, der irrt: "Bildung oder Ausbildung spielen da keine Rolle", sagt Mracek. Ob Arbeiter oder Akademiker - alle hat er schon beraten. Oft konnte er erfolgreich intervenieren, manchmal aber auch nicht. In dem Fall bekommt der Antragsteller eine Erfolglosbescheinigung", und der Streit geht dann meist vor Gericht weiter.

Doch was ist der typische Fall, der vor der Schiedsstelle landet? Mracek lächelt, denn: "den gibt`s eigentlich nicht." Oft gehe es aber tatsächlich um den berühmten Streit am Gartenzaun: "Da ist die zu breite Hecke, der Baum an der Grenze, die überbaute Dachrinne...", meist Kleinigkeiten. Aber oft gehe es eigentlich schon längst nicht mehr um den Fall an sich, sondern um Ehrverletzungen auf beiden Seiten. Um das herauszufinden, müssen Schiedsleute natürlich nicht nur zuhören können, vor allem müssen sie neutral bleiben. Doch das gelinge eigentlich immer, sagt Mracek, und augenzwinkernd: "Spätestens wenn man die andere Seite gehört hat." Bei juristischen Fragen können sich Schiedsleute zudem im Gericht beraten lassen. Und es gibt natürlich auch regelmäßig Schulungen. Die muss übrigens die Stadt Gardelegen finanzieren. Und die Kommune stellt auch die Räume zur Verfügung, in der die Schiedsverhandlung dann abgehalten wird. In Gardelegen passiert das im Haus II. "Dort habe ich dann auch das Hoheitsrecht", erläutert Mracek. Theoretisch könne er also sogar den Rechtsanwalt einer Partei vor die Tür setzen. Das sei allerdings noch nie vorgekommen, denn auch die meisten Anwälte wüssten die Arbeit der Schiedsleute zu schätzen; genau wie die Bürger. "Der Charme unserer Arbeit ist nämlich, dass wir uns nicht unbedingt an das Gesetz halten müssen." Wo ein Richter möglicherweise aufgrund der Gesetzeslage einen Rückbau fordern müsse, kann in einer Schiedsverhandlung ein Kompromiss gefunden werden. Nach dem Motto: Wenn mein Anbau bleiben kann, kriege ich dafür eine Ausgleichsfläche. Alles sei Verhandlungssache.

Wurde allerdings eine Entscheidung getroffen, müssen sich auch beide Parteien daran halten. Sogar Strafen können fällig werden, wenn jemand das ignoriert. Bezahlen müssen Antragsteller eine Schiedsverhandlung aber natürlich auch. Mit 75 Euro hält sich das aber im Rahmen. Nur im Erfolgsfall bekommt davon die Schiedsstelle 25 Euro, die Stadt erhält denselben Betrag, unabhängig vom Ausgang, und nach Abzug von Porto und Sachkosten bekommt der Antragsteller den Restbetrag dann zurück. So preiswert gibt`s eine Gerichtsenscheidung selten. Wer sich vorstellen kann, künftig für fünf Jahre als Schiedsperson zu arbeiten kann sich mit einer formlosen Schreiben an die Stadtverwaltung, Fachbereich Sicherheit, wenden. Bis zum 31. August läuft die Bewerbungsfrist.