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Kloster Neuendorfer Ortschaftsrat droht mit Rücktritt: Stadt räumte Werkzeuggaragen aus Dreger blieben nur die Leninbände

Von Jörg Marten 24.03.2011, 04:34

Die Stadtverwaltung hat die beiden einst gemeindeigenen Garagen in Kloster Neuendorf ausgeräumt. Erst wurden Rasentrecker und anderes Großgerät mitgenommen, dann Werkzeug, Schrauben und Nägel. Der Ortschaftsrat ist empört und droht mit Rücktritt. Falls das soweit kommt, will auch Ortsbürgermeister Dieter Dreger sein Amt niederlegen. Für Empörung im Ort sorgte auch eine andere Aktion der Stadt: Eine Mitarbeiterin stieß wackelige Grabsteine auf dem Friedhof um.

Kloster Neuendorf. Dieter Dreger gilt als bedächtiger Mann. Ein Mann, der mit seinem Vorgänger Ingo Jonitz dafür gesorgt hat, dass Kloster Neuendorf sich gleich der ersten Phase der Eingemeindungen der Stadt angeschlossen hatte, ein Mann, der mit der Stadt bisher gut zusammenarbeitete - und umgekehrt.

Am Dienstag aber erlebten die Mitglieder des Hauptausschusses und Bürgermeister Konrad Fuchs Dieter Dreger ganz anders. "Über unsere Köpfe hinweg" seien beide einst gemeindeeigenen Garagen leer geräumt worden, es gebe nicht mal mehr einen Schraubenzieher, "nicht mal mehr einen rostigen Nagel". Der Ortschaftsrat, der am Montagabend getagt hatte, sei darüber "dermaßen empört", dass er geschlossen zurücktreten wolle. Und auch er werde dann sein Amt als Ortsbürgermeister zur Verfügung stellen, kündigte Dreger erregt an: "So kann man nicht mit uns umgehen."

Was war passiert?

Am Montag, 7. März, hatte die Stadtverwaltung die Großgeräte aus den Garagen geholt, eine Maßnahme, die angekündigt worden war. Geschaffen werden soll mit allen Geräten aus den Orten ein zentraler Gerätepool, aus dem die Arbeiter der Stadt bedient werden sollen. Rasentrecker und -mäher sowie Freischneider waren weg. "Das ist ja o.k.", sagte Dreger gestern - schließlich habe die Ortschaft keinen eigenen Gemeindearbeiter mehr. Obwohl: Früher hätten die Erzieherinnen oder ein anderer Bürger der Ortschaft schon mal schnell selbst den Rasen hinter dem Kindergarten gemäht. Das gehe nun natürlich nicht mehr. Früher habe manch ein Bürger oder auch er selbst am Friedhof Hand angelegt, dort gemäht. Früher.

"Die haben sie bestimmt auf den Schrott geworfen"

Früher gab es auch noch einige Eisenstangen in den Garage. Nun liegt nur ein kurzes Stück Moniereisen am Boden, halb hinter einem Schrank. "Die waren zu faul, sich zu bücken", konstatiert Dreger und kramt den Metallstab hoch. Mit diesen Stäben hat er früher auf dem Friedhof die Stellen markiert, an denen ein Urnengrab ausgehoben werden soll. "Nun muss ich mir dazu was von Zuhause mitbringen."

Denn nun ist alles anders. Eine gute Woche, nachdem die Stadt die Großgeräte aus der Garage geholt hatte, kamen die Ausräumer wieder - allerdings wusste Dreger davon nichts. Am Donnerstag vergangener Woche wollte Dreger mal wieder selbst aktiv werden, ein Möbelstück im Kindergarten reparieren, einen Hammer aus der Garage holen. Seinen eigenen Schlüssel zu den Garagen hatte er zuvor schon bei der Stadt abgeben müssen. Doch für solche Fälle hatte sich der Ortsbürgermeister den Schlüssel des früheren Gemeindearbeiters gesichert. Ein Mann, der sich zu helfen weiß, wenn er anderen helfen will.

Dreger schloss auf - und traute seinen Augen nicht. Leer, alles weg, die vielen Packungen mit Schrauben, die auf den beiden Bretterregalen an der Wand standen, die Werkzeuge, Schaufel, Besen, alles weg. Einen alten Meißel hatten die Stadtmitarbeiter übersehen, die "Feierabenduhr" an der Wand hängt auch noch, der Sekundenzeiger zuckt nur noch müde, die Uhr zeigt 14.20 Uhr an, offenbar schon lange.

In der Garage ist nun Feierabend, ob mit Uhr oder ohne. "Besenrein" ausgeräumt, stellt Dreger trocken fest - und dann wurde der Besen auch noch mitgenommen.

"Wir haben doch Bürger, die was machen im Dorf, wir brauchen doch auch mal auf dem Friedhof was", sagt Dreger. Nun sei nicht mal mehr eine Schraube da. Rund 15 Leute seien im vergangenen Jahr zum Fegen des Dorfplatzes gekommen. "Wie sollen wir fegen, wenn wir nicht mal Besen haben?", fragt Dreger. Und wenn mal wieder ein Hund vor dem Kindergarten sein Geschäft erledigt, sei nicht mal eine Schaufel da, um den Haufen wegzumachen.

"Wie sollen wir fegen, wenn wir nicht mal Besen haben?"

Dafür aber blieb Lenin. In einem der Schränke liegen sie, die Relikte aus längst vergangener Zeit. Band 1 und Band 2 der gesammelten Werke Lenins schienen der Stadt nicht so wichtig, um sie auch abzuräumen. Dreger muss dann doch schmunzeln, als er sie wieder in den Schrank legt. Und ärgert sich gleich noch einmal über die fehlenden Moniereisen: "Die haben sie bestimmt auf den Schrott geworfen."

Aber alles konnte die Stadt doch nicht mitnehmen. Denn es gibt nicht nur die beiden Garagen hinter dem Kindergarten, sondern auch einen zusätzlichen Raum - dafür hatten die Stadtmitarbeiter offenbar keinen Schlüssel - wohl aber Dreger. Dorthin hätten viele der Sachen, hätten Schrauben, Hammer, Nägel und Schippe gestellt werden können, damit wenigstens etwas noch vor Ort sei, sagt er. Das habe er der Verwaltung zuvor auch mitgeteilt: "Doch wenn man das hier abholt, ohne mir was zu sagen..."

Dreger schließt den Raum auf. Ein Raum mit vielem, was wirklich weg kann - von dem Honecker-Bild vielleicht abgesehen, das an der Wand hängt. Aber auch drei Holzbänke stehen dort, die noch aufgestellt werden sollen, zwei Handwagen mit Streusand, ein Metallgestell für das Hinweisschild auf das Heideblütenfest. "Das wäre auch mit auf den Schrott geflogen", ist sich Dreger sicher. Gut, dass nur er den Schlüssel hat. Und da steht doch noch ein Besen. Der letzte, der geblieben ist. Noch.

Wer weiß, wann die Stadtmitarbeiter wieder kommen?

"Doch wenn man das abholt, ohne mir was zu sagen..."

Doch die Stadt zeigte sich nicht nur hinterm Gemeindehaus unsensibel. Auch auf dem Friedhof legte sie Hand an, und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Eine Stadtmitarbeiterin überprüfte dort die Standfestigkeit der Grabsteine. Dreger war dabei, und er erinnert sich mit Schaudern daran, wie die Frau begann, wackelige Grabsteine umzustoßen. "Das gibt Ärger", war ihm da schnell klar. Immerhin habe er die Bedienstete davon abhalten können, alle nicht ganz standsicheren Grabsteine umzukippen - davon gibt es eine Menge in Kloster Neuendorf. Auf den Rest klebte sie dann gelbe Schilder, die die Angehörigen auffordern, aktiv zu werden.

"Dolle Ärger" habe das Umlegen der Grabsteine verursacht, sagt Dreger. Ärger, den er abbekommen habe, obwohl er nichts dafür könne, obwohl er die Frau abgehalten habe, weitere Grabsteine umzukippen.

Nun soll auch dieses Thema in einer Bürgermeisterrunde angesprochen werden, zu der Fuchs die Ortsbürgermeister einladen will. "Wenn irgendwo die Säge klemmt, meldet euch", rief Fuchs die Ortsbürgermeister auf.

Aber wenn doch keine Säge mehr da ist...