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Zweiter Motorradgottesdienst im Estedter Pfarrgarten mit den Songs von AC/DC statt mit geistlicher Orgelmusik Lutz Brillinger: "Jesus zeigt uns auf dem Highway zur Hölle die Ausfahrt"

Von Conny Kaiser 18.04.2011, 04:36

Das große Hamburg hat es vorgemacht, das kleine Estedt machte es nach. Im dortigen Pfarrgarten versammelten sich am Sonnabendmittag rund 50 Biker. Pünktlich zur Eröffnung der Motorradsaison beteten sie gemeinsam das Vaterunser und ließen sich von Gemeindepädagoge Lutz Brillinger Gottes Segen mit auf den Weg geben.

Estedt. Er konnte offenbar nichts mit dieser Musik anfangen. Ganz laut zwitscherte am Sonnabend ein kleiner Vogel gegen die große Band AC/DC an, die im Estedter Pfarrpark die Boxen erbeben ließ. Dort, wo Gemeindepädgoge Lutz Brillinger eben damit begonnen hatte, den zweiten Motorradgottesdienst zu gestalten.

Ein Vogel zwitscherte gegen Bon Scott an

Als der kleine Vogel merkte, dass er nichts gegen den rockenden Bon Scott ausrichten konnte, platzierte er sich in der Buche, unter der die lauschenden Motorradfahrer saßen und kleckerte ausgerechnet Mitorganisator Holger Zobel ein stinkendes Andenken aufs lederne Hosenbein. Zum Glück neigte sich der Gottesdienst da gerade seinem Ende entgegen, sodass das Lachen der Frauen und Männer - auch Dorfbewohner und Gemeindeglieder aus umliegenden Orten hatten sich eingefunden - den feierlichen Rahmen der Veranstaltung nicht sprengen konnte.

Denn die hatte ein ernsthaftes Ansinnen. Motorradfahrer sind nicht durch eine Blechhülle geschützt. Umso wichtiger ist es für sie, mit Gottes Segen unterwegs zu sein. Den holten sich die vielen Motorradfreunde, die der Einladung nach Estedt gefolgt waren, im dortigen Pfarrgarten.

Dass bei diesem Gottesdienst ausgerechnet der Song Highway to hell, was deutsch so viel bedeutet wie Schnellstraße zur Hölle, erklang, stellte für Lutz Brillinger und seine Zuhörer keinen Widerspruch dar. Im Gegenteil. "Das Leben kann von einem Augenblick auf den anderen zum Höllentripp werden", so der Gemeindepädagoge in seiner Predigt. Auch Jesus von Nazareth habe einen solchen Tripp erleben müssen. Als er Palmsonntag auf einem Esel nach Jerusalem eingeritten sei, hätten die Menschen gemeint, er würde sie nun von ihren Problemen erlösen. Sie hätten nicht begriffen, dass sich Gerechtigkeit nicht durch neue Ungerechtigkeit schaffen lasse. Auch Jesus habe kurz darauf den Weg in die Tiefe antreten müssen. Doch Gott habe nicht zugelassen, dass er versinke. "Ohne Gott", so Brillinger, "wären wir alle in Richtung Hölle unterwegs. Doch Jesus zeigt uns auf dem Highway zur Hölle die Ausfahrt."

Gemeinsame Tour nach Tangerhütte

Zum Abschluss des Gottesdienstes, der mit dem Song Love hungry man eröffnet worden war, erklang Walk all over you. Und darin heißt es frei übersetzt: "Außerhalb der eingefahrenen Wege laufe ich auf vollen Touren." Die Motorradfreunde, die sich kurz darauf wieder auf ihre Maschinen setzten, waren dann aber weder auf ausgefahrenen Wegen noch auf vollen Touren unterwegs. Sie fuhren ganz gemütlich auf der B188 nach Tangerhütte. Dort, in einer Kneipe, die für so viele Gäste in Ledermontur geeignet schien, klang der Nachmittag dann bei alkoholfreien Getränken aus.

Und die Resonanz ließ keinen Zweifel daran, dass die Motorradfreunde Gardelegen eine klasse Veranstaltung organisiert haben. Ohne Lutz Brillinger wäre diese allerdings kaum möglich gewesen. Der Kontakt zu ihm war einst von Holger Bläß aufgenommen worden. Der ist nämlich Vize-Präsident der Motorradfreunde und zugleich Kollege von Brillingers Ehefrau Britta. Schon 2010 hatte der Gemeindepädagoge, der selbst gern mal ein schnelles Zweirad lenken würde, aber nicht die passende Fahrerlaubnis besitzt, einen Motorradgottesdienst im Pfarrgarten gestaltet. Der Zuspruch rechtfertigte eine Wiederholung. Und die zeigte noch größere Resonanz. Denn pünktlich zur Saisoneröffnung lugte auch die Sonne hervor und wies nicht nur den Gardeleger Bikern, sondern auch Motorradfahrern aus anderen Teilen der Altmark und aus Niedersachsen den Weg nach Estedt.

Als sie alle unter der großen Buche im Pfarrgarten Platz genommen hatten, und die ersten Töne von Love hungry man erklangen, muckte die Anlage allerdings ein wenig. "Die steht sonst auf dem Friedhof", so Lutz Brillinger, "und ist solche Töne nicht gewöhnt".