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Wenn die Schulden unüberwindlich werden, hilft die Schuldnerberatung / Mandy Beneke: "Es kostet nur Überwindung"

Von Gesine Biermann 17.06.2011, 06:29

Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung, zuweilen aber auch eine völlig falsche Einschätzung der eigenen finanziellen Situation: Gründe gibt es viele, warum Menschen sich verschulden. Wenn die Sorgen ums Geld allerdings übermächtig werden, hilft oft nur noch professionelle Beratung. Und die gibt es auch in Gardelegen.

Gardelegen. "Kennen Sie das Gefühl, total verzweifelt zu sein, nachts nicht schlafen zu können, weil Schulden Sie quälen, peinliche Blicke ertragen zu müssen, weil der Gerichtsvollzieher wieder vor der Tür stand? Dies alles habe ich erlebt, kam aus dem Loch, in das ich gefallen war, nicht mehr heraus, hatte sogar Suizidgedanken. Ich habe unzählige Anläufe gebraucht, um mir einen Termin in der Schuldnerberatung geben zu lassen, irgendwann aber hatte ich dann den Mut..."

Der Leserbrief, der da vor wenigen Tagen im Postkasten der Gardeleger Volksstimme-Redaktion liegt, rührt alle Kollegen an. Nur: Das Schreiben trägt lediglich die Initialen. Veröffentlicht werden kann es so natürlich nicht. Allerdings gibt es einen Anhaltspunkt in dem Schreiben. Denn der Autor oder die Autorin hat ein herzliches Dankeschön in den Brief geschrieben. Schuldnerberaterin Mandy Beneke ist die Adressatin: "Liebe Frau Beneke, Sie haben mir geholfen, meinen Schuldenberg aufzuarbeiten. Endlich sehe ich wieder einen Lichtblick...", heißt es dort, und weiter: "Ich möchte allen, die in finanziellen Schwierigkeiten sind, Mut machen. Gehen Sie zur Schuldnerberatung. Es lohnt sich!"

Und genau das kann Mandy Beneke, Schuldnerberaterin des Diakonischen Werkes Altmerk-West, nur bestätigen. Natürlich kennt sie die Briefschreiberin, denn eine Dame ist es, nur soviel gibt Mandy Beneke im Gespräch mit der Volksstimme preis. "Wir haben Schweigepflicht", sagt sie. Darauf können sich die Klienten verlassen. Denn wer in solche Bedrängnis gerate, möchte natürlich nicht auch noch, dass andere davon erfahren. Schulden zu haben, sei ein Tabuthema, und auch der Weg zu ihr oder Kollegen auch aus anderen Einrichtungen sei immer ein schwerer, versichert die Schuldnerberaterin.

Zuvor bemühten sich die meisten Schuldner oft selbst um eine Änderung ihrer Lage. Da würden "Kredite x-Mal umgeschuldet", später würden diese Sorgen dann verdrängt. "Das ist der Tunnelblick", sagt Beneke. Dann würden Mahnungen ignoriert, Briefe einfach nicht mehr aufgemacht. Meist sei es dann erst ein Schlüsselerlebnis, das Menschen in ihr Büro führt, erzählt Beneke. "Da ist zum Beispiel das Konto gesperrt, die Geldkarte eingezogen, der Energieanbieter droht, den Zähler zu sperren oder die fristlose Kündigung der Wohnung steht an." Solche oder ähnliche Situationen führen die Menschen schließlich in die Schuldnerberatung. Meist ist dann Eile geboten. Normalerweise warten Klienten vier bis fünf Wochen auf einen Termin. "Aber wenn es brenzlig ist, helfen wir auch sofort", versichert die Beraterin. "Wir lassen niemanden im Stich." Denn viele wüssten zum Beispiel gar nicht, "dass Sozialleistungen oder das Kindergeld gar nicht gesperrt werden dürfen". Einrichtungen, wie das Pfändungsschutzkonto, das bis zu einem bestimmten Betrag überhaupt nicht gesperrt werden darf, sind ebenfalls weitgehend unbekannt.

"Wir lassen niemanden im Stich"

Wenn es nötig sei, schalte sich ein Schuldnerberater schließlich auch mal persönlich in Verhandlungen mit Banken oder Gläubigern ein, so Beneke. Langfristig erhalte ein Klient allerdings eher Hilfe zur Selbsthilfe, um seine Probleme zu lösen.

Die muss er dazu aber natürlich erst einmal ehrlich schildern. "Offenheit ist wichtig", sagt Beneke. Nur dann könne eine realistische Aufstellung über die Verbindlichkeiten und eine Einnahme-Ausgabe-Liste zusammengestellt werden. Denn viele Klienten hätten gar keinen Überblick über die Kosten des täglichen Lebens. Geld für Zigaretten oder auch für Handykosten würden oft gar nicht für voll genommen. "Dabei sind unbezahlte Handygebühren ein ganz häufiger Grund für Überschuldung", versichert die Expertin.

Doch selbstverständlich gibt es auch zahllose andere Gründe dafür. "Scheidung, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit haben mich ruiniert", schreibt zum Beispiel die Leserbriefautorin in ihrem Brief an die Volksstimme.

"Es sind tatsächlich oft gestandene Persönlichkeiten, die vor mir sitzen", versichert Mandy Beneke und widerlegt damit das Vorurteil, Schulden hätten nur Menschen aus unteren sozialen Schichten. Ob Hartz-IV-Empfänger oder Arbeitnehmer mit geregeltem Einkommen, jedem könne es passieren, dass er in finanzielle Bedrängnis gerät, versichert Beneke. Mit ein wenig Mut, könne aber auch jeder Hilfe erfahren. Die bei der Diakonie und anderen seriösen Anbietern - im Gegensatz zu gewerblichen Beratungsstellen - übrigens komplett kostenlos ist. "Es kostet tatsächlich nur Überwindung", sagt Beneke und lächelt.

Lächeln kann nun wohl auch wieder die Briefeschreiberin. "Sie bauten mich immer wieder auf und brachten mich unter Tränen zum Lachen", bedankt sie sich in ihrem Brief bei ihrer Beraterin. "Ich habe in Ihnen jemanden gefunden, dem ich vertrauen kann, der verständnisvoll ist, mir aber auch mal klare Worte entgegenbringt." Den Schritt über die Schwelle von Mandy Benekes Büros Am Aschberg 16 hat sie offensichtlich nicht bereut.

"Trau Dich" steht dort auf einer Karte auf dem Schreibtisch. Wer sich traut, kann vielleicht demnächst auch von sich behaupten, was die Briefautorin in ihrem letzten Satz schreibt: "Mein Leben ist wieder lebenswert."