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Gardeleger Rentner wurde schwer enttäuscht / Schwindlerin betrog ihn um sein Erspartes "Ich dachte, ich kenne die Menschen"

Von Gesine Biermann 29.06.2011, 06:33

Er möchte mit seiner Geschichte vor allem andere Männer warnen: Ein 74-jähriger Gardeleger wurde kürzlich von einer Schwindlerin betrogen. Die Frau ist nun abgetaucht. Die Polizei konnte ihre Identität nicht ermitteln. Möglicherweise versucht die Betrügerin aber immer noch in Gardelegen und Umgebung, mit ihrer Masche andere Herren hinters Licht zu führen.

Gardelegen. Er hat sich gut überlegt, ob er damit an die Öffentlichkeit gehen will. Doch dann bittet Wolfgang M.* die Volksstimme schließlich um ein Gespräch. Vielleicht, so hofft der 74-Jährige, könne er damit andere Männer vor einem schweren Fehler bewahren. Denn ihn hat sein Vertrauen zu einer älteren Dame vor wenigen Wochen sein ganzes Geld gekostet. Mehr als 3000 Euro hatte er gespart. Nun ist das Sparbuch leer und die Frau verschwunden, mit der er sogar zusammenziehen wollte.

Dabei machte die einen "so netten Eindruck", schildert der Rentner. Ganz zufällig sei ihm damals auch das Kennenlernen vorgekommen. Dabei war das möglicherweise gar kein Zufall: Im vergangenen Herbst stand die Frau nämlich plötzlich vor ihm, erinnert sich M. - "da habe ich gerade in meinem Bastelkeller gearbeitet" - und bat ihn, wie zuvor auch schon einige seiner Nachbarn, um Hilfe. Aus einer Notsituation heraus müsse sie einige medizinische Geräte verkaufen, erklärte ihm die gepflegte Dame um die 60. Derzeit kümmere sie sich nämlich um eine schwer erkrankte Tante, die solle nun aber ins Heim kommen. Deshalb müsse deren Hausstand aufgelöst werden und dafür sei dringend Geld vonnöten, erzählte sie. Leider könne sie das aber nicht vorstrecken. Später sei dann alles kein Problem, denn dann erbe sie das Haus der Tante, das dann verkauft werden könnte, und bekomme außerdem eine Lebensversicherung ausgezahlt. Nur gerade jetzt brauche sie dringend Bares, schildert die dunkelhaarige Seniorin mit den netten braunen Augen.

Mitfühlend hört sich der pensionierte Angestellte ihre rührende Geschichte denn auch an, lädt die nette Dame schließlich sogar in seine Wohnung ein. Nur, an den Geräten, die sie ihm dann präsentiert, hat er eigentlich kein Interesse. Eine Matratze mit Magnetkern ist zum Beispiel darunter oder ein ganz besonderer Duschkopf mit Massagefunktion. Alles schick verpackt und neuwertig. Doch M., seit einigen Jahren Witwer, hat keine Verwendung dafür.

Dass ihm die anscheinend so tapfere und selbstlose Frau gefällt, merkt die aber vermutlich schnell. Und so werden aus dem einen Besuch mehrere. Auch sie sei allein, erzählt sie dem Gardeleger irgendwann, lebe ja derzeit mit der Tante in ihrem Stendaler Häuschen, müsse sich demnächst, wenn Tantchen ins Heim gehe, aber wohl auch nach einer Wohnung umsehen. Ob er nicht etwas wüsste...?

"Ich hätte nie geglaubt, dass ich mal so reinfallen könnte"

Und da Wolfgang M. die nette Anneliese H., so hatte sie sich ihm zumindest vorgestellt, mittlerweile sehr sympathisch ist, bietet ihr der Rentner sein Gästezimmer an. Begeistert stimmt sie zu. "Und ich war sogar bei meinem Vermieter", erzählt Wolfgang M., damit der einem Untermietvertrag zustimme. Und so planen die beiden Rentner Annelieses baldigen Umzug von Stendal nach Gardelegen.

Doch das geht natürlich nicht von heute auf morgen, denn da sind ja schließlich immer noch ihre finanziellen Probleme. Und so borgt der Ruheständler seiner künftigen Mitbewohnerin - möglicherweise sogar Lebenspartnerin - kurzentschlossen Geld. Gut 3000 Euro. Als Sicherheit bekommt er dafür die bereits erwähnten medizinischen Geräte. Damit scheint alles abgesichert, glaubt Wolfgang M.. Heute weiß er, dass er leichtsinnig war. Doch die Hoffnung, vielleicht bald nicht mehr allein zu sein, spielte dabei wohl auch eine Rolle.

"Ich komme mit meinem Haushalt ja eigentlich gut klar", erzählt M.. Wer einen Blick in seine gemütliche und pieksaubere kleine Wohnung wirft, kann das nur bestätigen. "Nur, so allein zu sein, das ist schon schwer", gibt er zu. Und deshalb ist die Aussicht auf künftige Zweisamkeit wohl auch ein Grund dafür, dass er nicht misstrauisch wird.

Dass er sie nie besuchen darf mit dem Auto in Stendal, begründet die Freundin damit, "dass ihre Tante männerfeindlich ist und sie sonst enterben würde", erzählt er. Telefonisch ist sie aus eben diesem Grund auch nicht zu erreichen. Das Handy, das ihr M. schenken will, mag sie dennoch nicht haben. Sie komme mit Mobiltelefonen nicht klar, erklärt sie. Wolfgang M. weiß heute warum.

Denn Anneliese H. zieht letztendlich nicht bei ihm ein. Als Wolfgang H. ihre Bitte ablehnt, auch noch ein neues 16-teiliges Topfset für 2500 Euro in Zahlung zu nehmen - "Du kannst das doch Deinen Kindern schenken!" - lässt sich die Stendalerin nicht mehr bei ihm sehen. Und als dem Gardeleger schließlich aufgeht, dass er vermutlich einer Schwindlerin aufgesessen ist und er endlich die Polizei einschaltet, ist es längst zu spät.

Der Ausweis, den sie ihm - für die Wohnungsummeldung - vorgelegt hatte, war vermutlich gefälscht, soviel hat ihm die Staatsanwaltschaft in ihrem jüngsten Schreiben mitgeteilt. Denn eine Anneliese H. ist in Stendal nicht gemeldet. In dem Brief heißt es deshalb weiter, dass die Ermittlungen eingestellt werden.

"Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal so reinfallen könnte", sagt Wolfgang H. enttäuscht. "Ich dachte, ich kenne die Menschen." In seinem Beruf habe er schließlich immer mit Menschen zu tun gehabt.

Nun hofft der Witwer zum einen "dass meine Kinder nichts davon erfahren". Die hatten ihren Vater nämlich stets bekniet, mal "mit jemandem Kaffeetrinken zu gehen, damit ich nicht immer so alleine bin". Vor allem aber hofft M., dass nicht noch mehr Männer auf die "nette Anneliese, oder wie sich sonst nennt", hereinfallen.

*Name geändert