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46-jähriger Mann aus Gardelegen hatte fünf Cannabis-Plantagen angelegt Dreieinhalb Jahre Haft für Drogengärtner

Von Ilka Marten 24.02.2012, 05:23

Zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilte das Schöffengericht am Amtsgericht einen 46-jährigen Gardeleger. Der Mann hatte fünf Cannabis-Plantagen angelegt und soll mit Betäubungsmitteln gehandelt haben. Bei einer Durchsuchung im September 2011 fand die Polizei fast 70 Cannabis-Pflanzen.

Gardelegen l In Handschellen wird Stefan W.* in den Sitzungssaal geführt, seit September 2011 sitzt der Gardeleger bereits in U-Haft in Magdeburg. Zwischen 2009 und 2011 legte der Mann fünf Cannabis-Plantagen an (wir berichteten). Der ermittelnde LKA-Beamte schildert als Zeuge eindrucksvoll die Hausdurchsuchung am 27. September 2011. Und dabei wird deutlich, dass Stefan W. und seine Frau, die bereits zu einer 20-monatigen Haftstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt wurde, eher zufällig erwischt wurden. "Wir haben nicht geahnt, was wir da im Keller vorfinden", so der Beamte. Durch Telefonüberwachungen anderer Anschlüsse stieß die Polizei auf das Ehepaar W.* Es habe fast täglich Kontakte gegeben, so der LKA-Mann. Teilweise auch so, dass seine Frau Drogen bestellte, ihr Mann aber nichts davon wissen sollte. Zwar habe es keine klare Bezeichnung der Betäubungsmittel gegeben, aber es seien Synonyme gefallen, sagt der Beamte. Er muss vor Gericht aussagen, weil Stefan W. am ersten Verhandlungstag in den Raum gestellt hatte, "dass ich vielleicht nicht in U-Haft muss, wenn ich Informationen liefern kann". Die gab er dem Beamten auch in seinem ersten Verhör nach der Hausdurchsuchung, aber "ich habe Dinge erzählt, die nicht der Wahrheit entsprechen, nur in der Hoffnung, dass ich nicht in U-Haft komme", so Stefan W. Und weiter: "Ich sehe nicht ein, weiterhin Lügen zu erzählen, ich bin ja in Haft. Ich wollte meinen Arsch retten."

Daher hatte er am ersten Verhandlungstag sein Geständnis widerrufen. Dass womöglich Druck von außen oder gar Bedrohungen dahinter steckten, diese belastenden Aussagen zurückzuziehen, verneint der Angeklagte mehrfach. Bei der Hausdurchsuchung war der Angeklagte durchaus kooperativ, zeigte den Beamten zügig seine professionelle Indoor-Plantage mit 23 Pflanzen im Keller. Versteckt hinter einem Regal hinter einer Zwischenwand befand sich der luftdicht verschlossene Raum. Zur Lüftung hatte der 46-Jährige eine Klimaanlage schwarz ans Netz angeschlossen, ebenso die Natriumdampflampen.

"Eine Nachbarin hatte uns wegen des Gartens angesprochen"

Als die Polizei morgens um 6 Uhr an der Wohnungstür klingelte, war Stefan W. angeschlagen: "Er hatte Kreislaufprobleme", so der Polizist. Ursache seien Alkohol- und Drogenkonsum am Vorabend gewesen, wie W. selbst zugibt: sieben Flaschen Bier, eine halbe Flasche Wodka und zwei Gramm Kokain. Zur Cannabis-Plantage im Garten einige Kilometer entfernt kamen die Beamten ebenfalls eher zufällig. "Eine Nachbarin hatte uns wegen des Gartens angesprochen", berichtet der LKA-Beamte. Dort fanden die Polizisten mehr als 30 bis zu 2,5 Meter hohe Pflanzen, die Stefan W. nach außen als Tomaten getarnt hatte, indem er rote Bälle in die Pflanzen im Gewächshaus gehängt hatte. Als Richter Bormann den Zeugen fragt: "Haben Sie Stefan W. Versprechungen gemacht?", verneint dieser. "In keinster Weise. Das mag sein Verständnis gewesen sein. Stefan W. hat stets konzentriert versucht, die Dinge zu verharmlosen und seinen Tatbeitrag so gering wie möglich zu halten", betont der LKA-Mann. Er sei nicht drogensüchtig und habe auch nicht mit Drogen gehandelt, das habe Stefan W. immer wieder bekräftigt im ersten Verhör.

Dabei hatte der Angeklagte nach eigener Aussage sogar noch im Revier in Gardelegen in der Zelle ein halbes Gramm Kokain konsumiert: "Das hatte ich noch in der Tasche. Das hat mich beruhigt." Sehr unschön hat eine Beamtin die Hausdurchsuchung in Erinnerung: "Ich fand das Zimmer von Frau W.* ziemlich ekelhaft." Überall lagen Kokaintütchen herum, direkt neben dem Bett Kokainbesteck. Auch auf dem Dachboden lagerte Stefan W. getrocknete Cannabis-Pflanzen. "Wir haben in jedem Raum der Wohnung, außer im Bad, Cannabis gefunden", so die Beamtin. Die Gesamtmenge rauchbaren Marihuanas betrug am Ende satte 4,36 Kilogramm. Für Staatsanwalt Bernd Blasczyk ist die Sache eindeutig: "Die Polizei ist zufällig auf Sie gekommen. Und wegen nichts fassen Sie hier für Ihr Verbrechen eine ordentliche Strafe ab." Denn wenn mehr als 7,5 Gramm THC vorliegen, handelt es sich um ein Verbrechen. Allein aus den zwei Plantagen im September entsprachen die 4,36 Kilogramm 57 Gramm THC. Weil sich auch die erste Plantage 2011 nach eigener Aussage des Angeklagten in der ähnlichen Größenordnung befand, war sie das dritte Verbrechen. Die zwei Plantagen 2009 sollen deutlich kleiner und nicht so ertragreich gewesen sein. "2011 sind Sie viel überlegter und professioneller vorgegangen, damit nichts zu riechen ist", so Blasczyk. Für die vorgeworfenen 30 Taten in Bezug auf Kokainkäufe beantragt der Staatsanwalt einen Freispruch: "Die Kaufhandlungen können Ihnen nicht nachgewiesen werden, aber das spielt hier die geringste Rolle."

"Er hat sich als Gärtner der besonderen Art versucht"

Sehr kritisch sieht Staatsanwalt Blasczyk den Widerruf des Geständnisses: "Der ist aus meiner Sicht dem geschuldet, dass Sie bedroht wurden." Für Stefan W. wird der Widerruf juristische Folgen haben: Ihm droht ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung. Hinzu kommt ein weiteres wegen Entziehung von elektrischer Energie, weil er das Stromnetz für die Plantage im Keller illegal anzapfte. Für den Anbau der fünf Cannabis-Plantagen, darunter die drei Verbrechen, beantragt der Staatsanwalt 3,5 Jahre Freihheitsstrafe. Richtig erbost ist er, "dass Sie einen Beamten hier ganz heftig angegriffen haben". Es könne nicht sein, "dass sich jeder Dahergelaufene über einen Polizisten ausmistet".

Pflichtverteidigerin Romy Gille wirbt beim Schöffengericht für Verständnis für ihren Mandanten. Er habe aus finanzieller Not heraus gehandelt und "sich als Gärtner der besonderen Art versucht". Hinzu komme, dass Stefan W. epilepsiekrank sei und der Cannabis-Konsum ihm Linderung verschafft habe. Sie beantragt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung. Tränenreich richtet sich Stefan W. in seinem letzten Wort an das Gericht: "Es tut mir leid. Es war mir nicht daran gelegen, den LKA-Beamten zu beschädigen. Durch die Falschaussage wollte ich mich und meine Frau vor dem Gefängnis bewahren. Ich fühle mich doppelt bestraft."

Erst am Vortag habe er das erste Mal Post von seiner Frau ins Gefängnis bekommen. "Meine Ehe ist noch zu retten, wenn ich nur eine Bewährungsstrafe bekomme" - da versagt seine Stimme unter Tränen. Die spektakuläre Hauptverhandlung endet mit dem Urteil des Schöffengerichts für Stefan W. Er muss dreieinhalb Jahre in Haft. "Sie sind wirklich von 0 auf 100 im Bereich der Drogen angekommen", so Richter Bormann. Erst 2009, wo "die guten Nasen der Nachbarn wohl recht hatten", und dann die sehr professionelle Anlage 2011. Und von einem ist Richter Bormann - wie zuvor auch Staatsanwalt Blasczyk - überzeugt: "Ich denke, dass all das, was Sie im Verhör bei der Polizei gesagt haben, richtig ist." Nach dem Urteil verlässt Stefan W. nach fünf Stunden Prozess den Gerichtssaal - wieder in Handschellen. (*Name geändert)