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Von Jerichow aus wird Einsatz in Wust und Umgebung koordiniert Kreisgrenze verliert Bedeutung beim Kampf gegen die Flut

Von Sigrun Tausche 15.06.2013, 03:17

Jerichow/Wust l Jerichow hat das Schlimmste hinter sich, das Wasser geht zurück, wenn auch nicht spurlos. Hochdruck herrscht aber immer noch bei der Stadtverwaltung und den Feuerwehren der Einheitsgemeinde, denn seit Mittwoch ist in Abstimmung der Landkreise Stendal und Jerichower Land der Jerichower Stab auch für Wust und Melkow zuständig.

Strahlend kommen Thomas Pansch, Fachberater vom Landkreis Jerichower Land, und Lothar Koch, Chef des Unterhaltungsverbandes "Stremme/Fiener Bruch" zum zentralen Platz gegenüber der alten Schule von Wust. "Das Wasser in der Wuster Siedlung ist von heute Morgen einen halben Zentimeter gesunken!" Das scheint nicht viel, aber die Fachleute wissen, dass es das doch ist in der jetzigen Situation. "Wir warten seit zwei Tagen, und endlich passiert etwas!"

Durch verschiedene Maßnahmen wie das Ausheben eines etwa 500 Meter langen Grabens hinter Wust, durch das Verschließen eines Durchlasses in der Gemarkung Sydow und das Umsetzen mehrerer starker Pumpen nach einem Erkundungsflug sei erreicht worden, dass das Wasser im Ort Wust nicht weiter gestiegen ist. Es seien im Umland Überflutungsflächen gewonnen worden, die Wasser aufnehmen können, ohne dass es in die Ortslage Sydow strömt. Die Fachleute sind sich sicher: "Ohne all diese Maßnahmen wären weitere Teile von Wust überflutet worden." Sie sprechen dabei von allen Grundstücken, die tiefer als 32 Meter über NN liegen.

Einsatzleiter vor Ort war gestern bis 18 Uhr Jerichows Stadtwehrleiter Ralf Braunschweig. Laut Schichtplan gab es regelmäßig Wechsel, rund um die Uhr hatte einer der Feuerwehrleute den Hut auf. Kameraden aus fast allen Ortsfeuerwehren der Einheitsgemeinde Stadt Jerichow halfen und helfen hier, Seite an Seite mit denen aus den umliegenden Orten, die zum Landkreis Stendal gehören. "Es ist jetzt wie früher", scherzt ein Sydower in Anspielung auf den "Kreis Havelberg II".

Jerichows Bürgermeister Harald Bothe, der nun auch zuständig ist für diese Nachbarorte, kommt mehrmals täglich her. Nach dem Deichbruch bei Fischbeck ist Wust von hier aus einfach besser erreichbar, und außerdem haben die Einsatzkräfte des Landkreises Stendal mehr als genug mit anderen überfluteten Orten elbabwärts und auf der anderen Elbseite zu tun. Auch Landrat Lothar Finzelberg war schon mehrmals vor Ort, erst gestern wieder.

Bothe berichtet von den jüngsten Hilfsaktionen: Mit Booten der Feuerwehr Bremen und Kräften der Feuerwehr Jerichow ist ein Notstromaggregat zur vom Wasser umschlossenen Milchviehanlage bei Fischbeck gebracht worden. Jetzt waren die Feuerwehrleute mit den Booten noch einmal dort, um zwei Techniker hinzubringen, die aus Stendal über Magdeburg nach Jerichow gekommen waren. Am Nachmittag wurden sie wieder abgeholt.

Ein Boot war unterwegs in die Nähe der Deichbruchstelle zwischen Fischbeck und Jerichow, um die tote Kuh vom Deich wegzuholen. Sie sollte durchs Wasser bis zur B 107 gezogen werden. "Das Rind, das auf dem Deich in der Bucher Brack liegt, können wir noch nicht wegholen, weil die Deiche noch nicht befahren werden dürfen." Und anders komme man dort nicht heran.

Weiterhin helfen verschiedene Landwirte der Region ihren in Bedrängnis geratenen Berufskollegen: Tiere von Höfen, die vom Wasser bedroht waren oder noch sind, wurden abgeholt und anderswo untergebracht. Eine Rettungsaktion für Schafe in Fischbeck sei mit den Veterinärämtern beider Landkreise abgestimmt worden. Der Bauernverband sei mit der Bitte, hier zu helfen, an den Kat-Stab herangetreten.

Auf der Sandsackfüllstation beim Jerichower Jugendklub ist im Moment etwas Ruhe eingekehrt. Bis vor kurzem aber gab es auch hier noch Hochdruck, denn Zigtausende Säcke wurden gebraucht, um in Wust wenigstens noch die Häuser und Grundstücke zu sichern, die noch nicht vom Wasser erreicht waren. Aus Genthin, Parey und Jerichow sind am Mittwoch bis spät in die Nacht Reserven in Größenordnungen mobilisiert worden. "Die ganze Ortslage konnten wir da leider nicht mehr retten. Das Wasser stand schon bis zu 70 Zentimeter hoch", bedauert Bothe.

Die Feuerwehr Bremen mit ihrer leistungsstarken Technik hatte gestern ihren letzten Tag hier im Hochwassergebiet. Von allen, die während der vergangenen Tage mit diesen Helfern aus der Hansestadt zusammengearbeitet haben, gab es nur Lob: Kompetent, engagiert und immer freundlich sind sie, und natürlich war beim Abschied das Bedauern groß.

Harald Bothe bemühte sich gestern, umgehend Ersatz für die starke Pumpe der Bremer Feuerwehr zu bekommen. "Ohne die Pumpen würde das Wasser etwa zehn Zentimeter pro Stunde steigen", beschrieb er die Situation. Am Ortsausgang hatte das THW parallel dazu mit weiteren Pumpen Stellung bezogen.

Gestern Abend kam dann noch ein Anruf aus Parey: Auch im "Lustgarten", auf dem Grundstück von Klaus Herregott, steht eine Herde Kühe, die "Asyl" bekommen hat. Die Tiere gehören Wilfried und Elke Jahns aus Briest. Zwar stehe dort bisher kein Wasser, aber die Evakuierung sei eine Sicherheitsmaßnahme gewesen. Am Mittwoch wurden die Kühe mit Kälbern, etliche Färsen und ein Bulle mit Hilfe mehrerer Landwirte aus dem Raum Jerichow herüber gebracht. "In ein paar Stunden waren sie alle in Parey", erzählt Elke Jahns und bedankt sich herzlich bei allen, die geholfen haben. Ihre Schwiegermutter, Ruth Jahns, ist die Partnerin von Klaus Herregott. Tochter Hella und Enkel Christian aus Hohengöhren haben ebenfalls hier Zuflucht gefunden.