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Ruben aus Venezuela und Sean aus Neuseeland haben in Jerichow ein zweites Zuhause gefunden Familie Lange: Fünf Söhne von drei Kontinenten

Von Sigrun Tausche 01.08.2013, 03:14

Längst hat sich wieder der Alltag eingestellt. Die Abschiedsfeier liegt bereits einige Zeit zurück, und Ruben ist zurück in seiner Heimat Venezuela. Fast ein Jahr lang war er Teil der Familie Lange in Jerichow. Er war gern hier und ganz sicher auch nicht zum letzten Mal in Deutschland.

Jerichow l Als Ruben ging, hatten Langes ihren ersten Gastschüler, Sean Golding aus Hamilton in Neuseeland, für einige Wochen wieder. Er war 2009/2010 hier und fühlte sich bald wie zu Hause - so sehr, dass der Wunsch, "seine" Familie wiederzutreffen, groß war und er gar nicht erst lange fragte. "Plötzlich stand er vor der Tür und erklärte, bis September bleiben zu wollen", schmunzelt Gastmutter Christiane Lange.

So also geht es zu in dieser Familie, die mit drei eigenen Söhnen offenbar noch nicht "genug" hat. Für die drei Jungs waren ihre neuen Brüder auf jeden Fall eine Bereicherung. Die drei, das sind Max (17), Philipp (11) und Theo (9). Warum sie das tun? "Aus Neugierde", meint Christiane Lange. Neugier auf Menschen aus anderen Regionen der Welt. Weltoffenheit, ja, das ist typisch für die Familie. "Max musste vor allem ¿Ja\' sagen, denn er musste sein Zimmer teilen", fügt die Jerichowerin an.

Und Ruben, warum wollte er nach Deutschland kommen? "Meine Cousine hatte mal ein Austauschjahr in Kanada gemacht, deshalb war für mich klar: Sowas möchte ich auch", erzählt er. Und sein Bruder, der ein Jahr älter ist, war 2009 neun Monate in Los Angelas.

Als Ruben dann einen sehr guten Schulabschluss gemacht hat, sagte ihm seine Mutter, dass er das Auslandsjahr als Geschenk bekomme. Über "AFS - Interkulturelle Begegnungen" wurde dann alles organisiert.

Ruben Sevilla-Brand ist in der Hauptstadt Caracas zu Hause. Seine Familie hat dort eine Firma, die auch Geschäftsbeziehungen mit Deutschland unterhält. "Sie brauchten jemanden, der Deutsch sprechen kann." Das war einer der Gründe, warum er sich für Deutschland entschied. Der zweite war, dass er Maschinenbau studieren wollte. "Und Deutschland ist das beste Land dafür."

Am liebsten hätte er mit dem Studium im Anschluss an dieses Schuljahr gleich hier in Deutschland begonnen. Aber das hat nicht funktioniert. "Es ist teuer. Ich hätte einen guten Studentenjob gebraucht, habe aber keinen gefunden."

So wird er erstmal an der Uni in Caracas studieren und hofft, von dort aus noch ein Austauschjahr an einer deutschen Uni machen zu können. Angenommen ist er bereits an der Uni, denn er hatte sich schon vor seinem Jahr in Deutschland beworben und die Aufnahmeprüfung bestanden. Eine solche Prüfung sei üblich in Venezuela, erklärt er, denn das Abitur wie hier in Europa gebe es dort nicht.

Ruben war 18, als er nach Deutschland kam, und ist bald danach im Oktober 19 geworden. Er ist natürlich trotz seines Abschlusses hier weiter zur Schule gegangen, war in der 11/1 am Bismarck-Gymnasium in Genthin. "Die Klasse war total klasse", betont er. Als er herkam, konnte er überhaupt kein Deutsch. Und ziemlich faul sei er während der Zeit auch gewesen, gesteht er. Sprachlich sehr geholfen habe ihm, dass er den Deutschunterricht in der 5. Klasse mit besuchte. "Die haben da gerade Grammatik behandelt."

Nach fast einem Jahr spricht Ruben richtig gut deutsch, so gut, dass er sich für die B 2-Prüfung am Goethe-Institut in Caracas angemeldet hatte. Gleich nach seiner Rückkehr wollte er die ablegen.

Was ist nun vor allem anders am Leben in Deutschland gegenüber dem in der Hauptstadt Venezuelas? "Die Freiheit, abends wegzugehen, werde ich sehr vermissen", sagt Ruben und erklärt: In Caracas mache das keiner einfach so, weil es viel zu gefährlich ist. "Caracas hat eine große Kriminalitätsrate!" Auch sei die politische Situation im Moment schwierig. Gern würde er seine Gastfamilie zu einem Gegenbesuch einladen und unterstreicht: "Die Türen sind immer offen!", aber das, meint er, sollte man lieber verschieben, bis die Situation besser ist.

Nicht so sehr vermissen wird er den langen deutschen Winter. "Am Anfang habe ich mich gefreut, als es den ersten Schnee gab, aber dann war es einfach zu lange so grau." Solche Probleme hätten im vergangenen, tatsächlich besonders langen Winter viele Gastschüler aus südlicheren Ländern gehabt, berichtet Christiane Lange. "Sie sind viel Sonne gewöhnt. Die Stimmung war einfach runter."

Das machte das Zusammenleben natürlich nicht gerade leichter. Und so blieben auch Reibereien nicht aus.

Aber auch das gehörte dazu. Und richtig angekommen sei Ruben tatsächlich erst nach dem ersten richtigen Krach. Denn da war klar: Er ist kein Gast, sondern ein Kind der Familie wie die drei anderen.

Nun, am Schluss des Aufenthalts, ist Rubens Urteil eindeutig: "Ich bin sehr dankbar, dass ich eine so schöne Familie gefunden habe!"

Dass letztlich doch alle so gut harmonierten hat einen Grund: den Fußball. "Danach haben wir ihn ausgesucht", lacht Christiane Lange. Denn bei ihren vier Männern dreht sich so ziemlich alles um Fußball. Ihr Mann, Sven Lange, ist Vorsitzender des Sportvereins Lok Jerichow und selbst schon immer Fußballer beziehungsweise später Fußballtrainer gewesen. Und die drei Jungs treten in seine Fußstapfen. Hinterm Haus gibt es einen eigenen Fußballrasen, auf dem immer was los ist.

Damit nicht genug, hat Ruben auch beim Volleyball mitgemacht. Und in Zabakuck ist er beim Triathlon gestartet.

Ähnlich war das auch schon vor drei Jahren mit Sean aus Neuseeland gewesen, der womöglich noch mehr Sport gemacht habe.

Dessen Familie hatten die fünf Langes in der Weihnachtszeit 2012 bereits besucht. "Da haben wir Ruben drei Wochen auf die Verwandten verteilt und sind nach Neuseeland geflogen." Unvergesslich schön sei es dort gewesen, und sie seien sehr herzlich von Seans Familie empfangen worden. Sean, ja der war anfangs auch noch da, und dann habe er erklärt: So, er fliegt jetzt nach Arizona, und sie sollen sich keine Sorgen machen, die Familie würde sich schon gut kümmern. Und das hat sie auch.

Im Frühjahr war dann Rubens Mutter in Deutschland zu Besuch und natürlich auch bei Langes. Nachdem sie sie dann wieder zum Zug gebracht hatten und zurück nach Hause kamen - "da stand Sean vor der Tür und erklärte, er wolle bis Anfang September bleiben!"

Ja, so geht es zu bei Langes. Papa Sven setzt einen ergebenen Blick auf. Soll heißen: Er könne je eh nichts machen, er werde überstimmt. Aber im Grunde ist er sehr stolz auf seine Familie - und natürlich auch auf seine zusätzlichen Kinder, die so gerne hier sind.