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Teil 1 der Volksstimme-Serie zum Jubiläum der Genthiner Wehr: 140 Jahre im Einsatz gegen das Feuer Vom Löscheimer zur Spritze bis zum Feuerwehrauto

Von Kristin Schulze 11.03.2014, 01:25

Der 28. März 1874 ist ein besonderes Datum. Es ist der Gründungstag der Genthiner Feuerwehr. Am 28. und 29. März feiern die Kameraden ihr 140-jähriges Jubiläum auf dem Marktplatz. Für uns Anlass zu einer kleinen Serie. Im ersten Teil wird es historisch.

Genthin l Knapp 100 Seiten Papier. Bedruckt von vorne bis hinten, fein säuberlich gebunden, damit nichts verloren geht. Der Titel: "Eine Chronik über die ehrenamtliche Tätigkeit der Freiwilligen Feuerwehr und der Entwicklung des Brandschutzes in der Stadt Genthin." Wenn Dieter Tramitz durchblättert, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Der 74-Jährige war Hauptmann, Brandmann, Hauptbrandmeister, arbeitete in der Berufsfeuerwehr... Ein Leben für die Feuerwehr. Außerdem ist Tramitz Autor. Er hat die Chronik der Genthiner Wehr verfasst. Nun sitzt er in seinem Wohnzimmer und liest.

"37 Häuser mit Scheunen und Ställen vernichtet"

Bis ins 17. Jahrhundert geht das Schriftstück zurück. Sie beginnt, wie sollte es anders sein, mit einem Brand am 19. August 1648, verursacht von einem 8000 Mann starken schwedischen Heer, das an Elbe und Havel entlang marschierte, und in Genthin Halt machte.

Die Chronik berichtet weiter von der großen Feuersbrunst am 8. Oktober 1704. "37 Häuser mit Scheunen und Ställen wurden vernichtet", liest Tramitz vor. Solche Einträge finden sich auf den folgenden Seiten zuhauf. Dieter Tramitz erklärt: "In den Häusern befanden sich offene Feuerstätten, die Schornsteine waren aus Holz und die Wände aus Lehm mit Strohgeflecht errichtet." Kein Wunder also, dass es oft brannte.

Tramitz hält inne und blättert ein paar Seiten weiter. Währenddessen berichtet er von den Schwierigkeiten beim Erstellen der Chronik. Unzählige Quellen hat er gesichtet, war Dauergast im Magdeburger Landes- und im Genthiner Kreisarchiv. "Das ist wie ein Puzzle, man muss die Ereignisse rekonstruieren." Er sprach mit etlichen Zeitzeugen, arbeitete sich durch Versammlungsprotokolle. Viele davon in Sütterlin, also Altdeutsch, verfasst.

Die Fertigstellung der Chronik konnte auch das nicht aufhalten. Zum Glück, sonst würden viele Ereignisse wohl in Vergessenheit geraten.

"Zank wird mit Arrest bestraft"

Die erste Feuerordnung von 1712 zum Beispiel. In dieser wurden 39 Personen für die Bekämpfung eines Brandes in Genthin festgelegt, allen voran die Ratsherren der Stadt, aber auch Handwerker und Bauern. Man sprach damals allerdings noch nicht von einer Feuerwehr, sondern von der Brandbekämpfungstruppe. Gelöscht wurde überwiegend mit dem Wassereimer, obwohl die ersten Feuerspritzen schon bekannt waren.

Dieter Tramitz liest das damalige Motto vor: "Durch der Hände lange Kette um die Wette fliegt der Eimer."

Wandel der Feuerwehr bedeutet auch Wandel der Technik. So verfügte man in Genthin um 1848 bereits über vier Feuerspritzen. 60 Männer waren zur Bedienung nötig. Wer sich verweigerte, musste mit Strafe rechnen. "Wer gar nicht an der Spritze erscheine, muss 1 Thlr. Strafe bezahlen. Wer durch Beleidigungen, Zank oder Widerspenstigkeit die Arbeiten stört, wird mit Arrest bestraft", heißt es in der Chronik.

Am 28. März 1874 wurde schließlich die Freiwillige Feuerwehr Genthin gegründet, ist auf Seite 15 zu lesen. Von schweren Zeiten liest man, wenn man weiterblättert. So fielen 85 Feuerwehrleute aus dem Kreis Jerichow II, zu dem die Genthiner Wehr gehörte, im Ersten Weltkrieg. Weitere Kameraden folgten im Zweiten Weltkrieg.

"Feuerwehr im Nationalsozialismus"

Besonders hervorgehoben hat Dieter Tramitz die Arbeit des Wehrleiters Walter Wilke. "Knapp 20 Jahre gestaltete er die Arbeit der Feuerwehr. Und das in den schwersten Jahren der neueren Geschichte." Gemeint ist die Zeit nach der Machtübernahme der NSDAP 1933, die sich auch bald in der Wehr bemerkbar machte. So wurden Mitglieder der SPD systematisch aus den Feuerwehren gedrängt. Später durften nur noch Mitglieder arischer Abstammung in der Feuerwehr sein.

Außerdem trieben die Nazis die materielle Aufrüstung der Feuerwehren voran. "Dadurch fühlten sich die Feuerwehrleute natürlich geschmeichelt", erklärt Dieter Tramitz. "Man erkannte noch nicht, dass schon zu diesem Zeitpunkt die Feuerwehren Teil der Kriegsvorbereitungen waren."

In der Chronik kommen aber auch die schönen Momente nicht zu kurz: Von Bierabenden im Hotel Mewes ist genauso die Rede wie vom Restaurant Duchstein am Marktplatz, das am 12. Februar 1920 offizielles Vereinslokal wurde und dies über viele Jahrzehnte blieb.

Stundenlang könnte Dieter Tramitz weiter aus der Chronik berichten, wie gesagt, sie fasst knapp 100 Seiten. Wie viel Zeit ihn das Verfassen gekostet hat, kann der Rentner nicht sagen. Aber: "Fertig wird so ein Buch natürlich nie. Immer neue Puzzleteile kommen dazu. Mein nächstes Ziel ist die Überarbeitung der Chronik."

Lesen Sie im zweiten Teil am Sonnabend: Nachwuchsarbeit - Zu Besuch bei der Genthiner Jugendfeuerwehr.