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Menschen mit Handicap und die Kommunalwahl Von 16 Wahllokalen sind 7 rollstuhlgerecht

Von Simone Pötschke 22.03.2014, 02:23

Als sich die Mitglieder des Vereins "Miteinander leben" am Mittwoch im Lindenhof treffen, stellt sich ein spontaner Gedankenaustausch zur bevorstehenden Kommunalwahl am 25. Mai ein. Die Vereinsmitglieder wollen auf jeden Fall von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.

Genthin l Jürgen Mehlau vom Vorstand "Miteinander leben" hält die Zeit für gekommen, bei Menschen mit großem Handicap, speziell bei den Rollstuhlfahrern, nachzufragen, ob sie am 25. Mai wählen werden. "Hört mal her, seid ihr am 25. Mai dabei", ruft er in die Runde und erhält ein einstimmiges "Na klar" als Antwort...

Unter diese Worte mischt sich jedoch auch Nachdenklichkeit: Jürgen Mehlau und seine Vereinsmitglieder haben in den vergangenen Jahren in Gesprächen mit der Stadt Genthin vielfach angemahnt, dass die Zugänge zu öffentlichen Gebäuden, eben auch zu Wahllokalen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen Rechnung tragen sollten. Leider mit mäßigem Erfolg. "Es hat sich nicht wirklich etwas getan", bedauert er.

Gleichwohl sind es gerade die Rollstuhlfahrer des Vereins, die anders als vermutet, nicht etwa von der Briefwahl Gebrauch machen werden, sondern direkt das Wahllokal ansteuern. Barrierefreie Zugänge machen es möglich. Immerhin: Von den 16 Wahllokalen der Stadt Genthin sind sieben mit einem Rollstuhl zu erreichen (Kita Max und Moritz, Diesterwegschule, Schwimmhalle, Kultur- und Freizeitzentrum, Gemeindehaus Dretzel, Gemeindehaus Paplitz und die Alte Schule Schopsdorf).

Auf den Wahlbenachrichtigungen wird ein Vermerk angebracht sein, ob der Wahlraum barrierefrei zugänglich ist oder nicht.

Frank Schuhknecht geht zwar in Kade und damit nicht in der Stadt Genthin wählen, doch schon vor Jahren haben er und seine Mutter sich stark gemacht für die Einrichtung einer Rampe. Ein Engagement, das sich auf lange Sicht auszahlt hat, sagt er. Weitere Mitglieder des Vereins sehen als Rollstuhlfahrer kein Problem, Wahllokale in Güsen und Parey zu erreichen.

Doch Jürgen Mehlau weiß neben den Problemen der Rollstuhlfahrer auch um die Schwierigkeiten von Menschen mit körperlichen Einschränkungen, bzw. alten oder chronisch kranken Menschen, deren Beweglichkeit erheblich eingeschränkt ist. Nur wenige Stufen, sagt er, können schon zu einem Hindernis werden.

"Sicherlich ist es in Einzelfällen möglich, dass beeinträchtigte Menschen einige Stufen mithilfe der Mitglieder des Wahlvorstandes überwunden werden können", stellte Genthins Bürgermeister Thomas Barz diesbezüglich in Aussicht.

Eine Möglichkeit, diesen Schwierigkeiten zu umgehen, bietet bekanntermaßen die Möglichkeit, im Vorfeld der Wahl einen Wahlschein ohne Briefwahlunterlagen zu beantragen, mit dem es auch möglich ist, am Wahltag in einem anderen, barrierefreien Wahllokal innerhalb eines Wahlgebietes mit den gleichen Kandidaten zu wählen.

Oder die Betreffenden beantragen einen Wahlschein mit Briefwahlunterlagen, um schon vorab die (Brief-)Wahl durchzuführen.

Auf der Rückseite der Benachrichtigungen, die alle Wahlberechtigten bis zum 30. April erhalten, ist ein Antrag für die Erteilung eines Wahlscheines aufgedruckt, der bei Bedarf abgeschickt werden kann. Die Erteilung eines solchen Scheines kann jedoch auch ohne amtliches Formular schriftlich oder mündlich beantragt werden. Allein eine telefonische Antragstellung ist unzulässig.

Der Besuch der "fliegenden Wahlurne", den es zu DDR-Zeiten gab, gehört längst der Vergangenheit an. Er verstößt gegen das Grundgesetz und das Recht des Bürgers auf eine freie Wahl.

Gemäß Kommunalwahlordnung könnten auch bewegliche Wahlvorstände eingesetzt werden, um in Krankenhäusern und Alten- oder Pflegeheimen die Stimmabgabe zu ermöglichen. Dieser bewegliche Vorstand müsste aus dem Wahlvorsteher des zuständigen Wahlbezirkes und mindestens zwei Beisitzern des Wahlvorstandes bestehen.

"Dies ist jedoch mit einem so hohen Aufwand verbunden, sodass diese Möglichkeit bislang in Genthin nicht zur Anwendung gebracht wurde. Auch wäre es personell kaum abzusichern", sagt Thomas Barz.

Jürgen Mehlau jedenfalls geht seit Jahren in das Wahllokal Schillerstraße. Es ist zwar für ihn nur beschwerlich über einige Stufen erreichbar, aber das schaffe er schon, ist er ganz zuversichtlich.