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Kinderbetreuung am Limit

29.11.2014, 07:29

Eine "Mammut"-Gemeinderatssitzung fand diese Woche in Parey statt - über drei Stunden dauerte allein der öffentliche Teil. Zudem gab es jede Menge Themen, die die Bürger interessierten, so dass die Gäste im Versammlungsraum "wie die Heringe" saßen. Eine Anfrage in der Einwohnerfragestunde betraf die kritische Betreuungssituation in der Kita Parey.

Parey l Die Situation in der Kita angesprochen hatte Annika Liebich, die nicht nur Vorsitzende der Elternvertretung in der Pareyer Kita ist, sondern für die ganze Gemeinde Elbe-Parey. Darum hat sie auch einen guten Überblick und weiß, dass es hier im "Sonnenschlößchen" tatsächlich die größten Probleme gibt.

Im öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung wurde das Thema nicht angesprochen, deshalb fragte sie nach. "Ich weiß, dass es Thema im Hauptausschuss war", sagte sie.

Hintergrund: Die Johanniter-Unfallhilfe, die Träger von vier Kitas in Elbe-Parey ist, hatte einen Antrag gestellt, für die Ende des Jahres auslaufende Bürgerarbeit in der Kita mit Unterstützung der Gemeinde Elbe-Parey Ersatz zu schaffen. Das bestätigte Nicole Golz (Parey) und erläuterte zum Verständnis für die vielen anwesenden Bürger: "Es gibt einen Schlüssel für die Anzahl der Betreuer. Unberücksichtigt dabei bleiben aber Urlaubstage. Das sind allein in der Kita Parey 430 Tage. Unberücksichtigt bleiben auch Krankheitstage."

Zur Zeit gebe es noch eine Bürgerarbeiterin, die den Erzieherinnen bei vielen Arbeiten hilft. Die Maßnahme läuft aber zum Jahresende aus und es gibt keine neuen Bürgerarbeiter. Deshalb ging der Antrag an die Gemeinde, jemanden in Verbindung mit einem Förderantrag bei der Gemeinde anzustellen. "Das würde aber wieder zu Personalkosten in der Gemeinde führen." Zudem gebe es eine Einstellungsverpflichtung, wenn die Förderung ausläuft. Die Mehrheit des Hauptausschusses hatte sich deshalb dagegen ausgesprochen.

Eine solche Einstellung über eine Fördermaßnahme können die Johanniter nicht selbst vollziehen, erklärte Nicole Golz weiter. "Sie sind nur Träger der Kitas, und die finanziellen Mittel kommen allesamt von der Gemeinde."

Warum ein solcher Antrag nur für die Kita in Parey gestellt wurde und nicht auch für die anderen Kitas der Gemeinde, erklärte Annika Liebich: In großen Einrichtungen sei der Betreuungsschlüssel ganz anders als in kleinen. Denn in den kleinen Kitas müsse ja auch die komplette Zeit abgesichert werden - egal, ob früh oder nachmittags nur wenige Kinder da sind. In großen Kitas wie in Parey und Güsen sei der "Schlüssel" viel enger gestrickt. In Güsen sei noch ein Austausch der Erzieherinnen mit dem Hort möglich. In Parey sei es im Moment ganz akut: "Von 14 Erzieherinnen sind vier erkrankt, eine Kollegin ist gar nicht mehr da." Also stehen statt 14 nur noch neun Erzieherinnen zur Verfügung. "Die Johanniter versuchen händeringend, jemanden zu finden." Jedoch sei im Moment einfach niemand zu bekommen. Auch der Elternrat sei schon dabei, nach Ersatz zu suchen.

Sie habe sich auch an den Landeselternrat gewandt, berichtete Annika Liebich, und dort sei ihr erklärt worden, dass es Aufgabe der Gemeinde sei, die Betreuung sicher zu stellen. Ab Januar sei das aber nicht mehr möglich.

Annika Liebich wies auch darauf hin, dass in den Kindergärten schon seit Jahren gespart werde - an Investitionen, an Sachen, die gemacht werden müssten. Sozialleistungen wurden auf die Eltern umgelegt, Elternbeiträge wurden erhöht... "Wir können nicht auch noch bei der Betreuung sparen!" Es sei wirklich eine sehr hohe Förderung, die die Gemeinde für diese beantragte Stelle bekommen könnte. "Das gab es bisher noch nicht!" Die Gemeinde würde das im nächsten Jahr anteilig zirka 12 000 Euro kosten.

Im Gespräch mit der Landeselternvertretung habe sie erfahren, dass es eine Änderung im Kinderförderungsgesetz (KiFög) geben werde, sagte Annika Liebich, "aber erst Mitte bis Ende nächsten Jahres!" Wie ab Januar die Situation den Eltern vermittelt werden solle, wisse sie nicht.

Ratsmitglied Dr. Stefan Ringwelski (Bergzow) nannte das generelle Problem dabei: "Land und Bund stellen immer weniger Geld nach unten durch." Dass die Bürgerarbeiter abgeschafft werden, sei auch so ein Beispiel. Er bestätigte die kontroverse Diskussion im Hauptausschuss zu dem Antrag der Johanniter. "Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, wenn wir jetzt Aufgaben übernehmen, die eigentlich von oben gesteuert werden müssten." Er erinnerte an die kritische finanzielle Situation der Gemeinde, die dazu führt, dass man ständig darüber streite, wo noch gekürzt werden könne. Dazu komme die Frage, wie es nach dieser Fördermaßnahme weitergehen soll.

Über Lösungen wird bereits nachgedacht

Annika Liebich erklärte, dass dann, wenn der "Schlüssel" für die Kinderbetreuung steige, auch die Zuschüsse steigen werden. Die Kosten für die Gemeinde werden dadurch nicht steigen. Das Problem sei nur, dass dies voraussichtlich erst in mehreren Monaten umgesetzt werden wird. Bis dahin sei die Gemeinde zuständig, die Betreuung zu sichern. "In der Pareyer Kita werden zur Zeit 110 Kinder betreut. Es wird so viel gesprochen über Bildungsprogramme, aber momentan ist es sogar grenzwertig, die Betreuung sicher zu stellen!"

Jürgen Bruchmüller (Derben) sagte sehr deutlich seine Meinung: "Ich finde es traurig, dass wir uns überhaupt um Sachen streiten müssen, wo es um unsere Zukunft geht. Das sind ja unsere Kinder!" Aber wäre die Gemeinde ein Wirtschaftsunternehmen, müsste bei der angespannten finanziellen Situation bereits Insolvenz angemeldet werden. "Seit ich im Rat bin, sage ich, wir müssen nach oben die Meinung vertreten: Es ist Schluss mit der Konsolidierung. Es ist nicht mehr möglich, auch nur einen Euro zu sparen!"

Bürgermeisterin Jutta Mannewitz berichtete, dass sie bereits mit Dr. Martina von Witten (Regionalvorstand der Johanniter-Unfallhilfe) gesprochen habe. Diese sei auch schon vor Ort gewesen. Die Forderung der Elternvertreter sei berechtigt, betätigte Jutta Mannewitz und kündigte an, sich umgehend zumindest um eine Lösung für das akute Problem zu bemühen.